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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Fleisch schnitt. Das Blut, das nun das Wasser trübte, war sein eigenes, aber das nahm Andrej kaum noch wahr. Alles begann sich um ihn zu drehen. Sein Herz pochte wie wild, und er musste mittlerweile seine ganze Willenskraft aufwenden, um nicht den Mund aufzureißen und nach Luft zu schnappen, ganz egal, ob ihm sein Verstand sagte, dass das sein sicheres Todesurteil war. Abu Dun zerrte noch einmal an seinen Armen, sah die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen ein und tastete sich an seinem Körper entlang, bis er den Ring und die eiserne Kette gefunden hatte. Zu spät. Viel zu spät. Andrejs Lungen standen in Flammen. Sein Herz pochte, als wolle es jeden Moment aus seiner Brust springen. Er musste atmen.
Er tat es.
Und ertrank.

J
    emand schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht, mehrmals hintereinander und so hart, als wollte er ihn bewusstlos prügeln, statt ihn zu wecken. Abu Dun. Natürlich war es Abu Dun. Der heimtückische Muselmane nutzte schließlich jede Gelegenheit, ihm etwas anzutun, solange er wehrlos war.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, ohrfeigte Abu Dun ihn noch einmal, drehte ihn dann unsanft um und versetzte ihm einen so harten Stoß zwischen die Schulterblätter, dass er sich qualvoll übergeben und Salzwasser und mit Blut vermischten Schleim ausspucken musste. Seine Brust schmerzte noch immer unerträglich, und auch sein verletztes Auge und die Schläfe meldeten sich nachhaltig zurück. Jemand keuchte. Es war nicht Abu Dun, dazu klang das Keuchen zu überrascht – und zu erschrocken. Außerdem glaubte er einen Unterton von Mitleid in der Stimme zu vernehmen. Vollkommen ausgeschlossen also, dass es Abu Dun war.
»Aber wieso … wieso lebt er noch?«
»Das ist Hexerei!«, fügte ein anderer, nicht minder entsetzt, hinzu.
»Vollkommen unmöglich«, sagte eine dritte Stimme. »Er war mindestens zehn Minuten unter Wasser!«, sagte der Erste wieder. »So lange überlebt das keiner!« Trotz allem glaubte er die Stimme jetzt als die des Mannes zu erkennen, der sie hierher gebracht und ihm das Werkzeug gegeben hatte.
»Das ist Hexerei!«
»Nein. Das ist euer Glück, glaubt mir«, grollte Abu Dun. »Dort unten war eine Lufttasche, die sich unter der Decke gebildet hat. Nicht sehr groß, aber ausreichend für ein paar Atemzüge. Sonst wäre er jetzt tot. Und das wäre nicht gut für euch, glaubt mir. Es wäre ganz bestimmt nicht gut für euch.«
Er drehte Andrej – sehr viel behutsamer als zuvor – wieder auf den Rücken und schlug ihm noch einmal ins Gesicht, allerdings nur ganz sachte. Dennoch beeilte sich Andrej, die Augen zu öffnen, um so einem weiteren Schlag zuvorzukommen. Abu Duns Gesicht schwebte kaum eine Handbreit über ihm. Der Ausdruck von Sorge in seinen Augen war echt, aber Andrej erkannte auch große Erleichterung. Der Anblick tat sehr gut.
»Alles in Ordnung, alter Freund?«, fragte Abu Dun. Alter Freund. Nicht Hexenmeister. Andrej lächelte dankbar. »Wunderbar«, brachte er irgendwie hervor. »Ich habe mich … selten so gut … gefühlt.«
»So lebendig, nehme ich an«, sagte Abu Dun. Sein Blick versuchte Andrej etwas zu sagen, aber er verstand nicht, was. »Das war wirklich knapp, Andrej. Ohne diese Luftblase wärst du jetzt tot. Ich musste dreimal auftauchen und Luft holen, bevor es mir gelungen ist, das da zu öffnen.«
Er hielt ein verbogenes Etwas in die Höhe, das Andrej erst beim zweiten Hinsehen als die Reste der heimtückischen Fußfessel erkannte, die ihm der unbekannte Angreifer angelegt hatte. »Ich verstehe ja beim besten Willen nicht, wie jemand so tölpelhaft sein kann, sich in so einem Ding zu verfangen … aber was zum Teufel hat diese Todesfalle dort unten überhaupt zu suchen?!«
Die letzten Worte hatte er beinahe geschrien, und sie galten nicht Andrej, sondern jemandem, der hinter ihm stand. Andrej stemmte sich mühsam auf beide Ellbogen hoch und legte den Kopf in den Nacken, bis er den Mann erkennen konnte. Es war der Matrose.
»Das ist nicht meine Schuld!«, beteuerte dieser erschrocken. »Die Dinger liegen dort unten überall herum!«
»Wozu?«, fragte Abu Dun scharf.
»Die Bilge wird auch als …« Er sprach nicht weiter, sondern hob nur die Schultern, als wäre ihm das, was er zu sagen hatte, aus irgendeinem Grund unangenehm. »… als Kerker benutzt«, vermutete Andrej. »Um Kriegsgefangene unterzubringen, oder Matrosen, die sich etwas zuschulden haben kommen lassen.«
»Hm«, machte der Mann.
»Da unten?«, fragte Abu Dun stirnrunzelnd. »Ihr Spanier seid

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