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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nassen Mantel, bevor er ihn Abu Dun reichte. Gewicht und Größe der Waffe hätten ihn dort unten nur behindert.
»Zieh zweimal, wenn etwas nicht in Ordnung ist«, wies ihn Abu Dun an.
»Kommst du dann nach und hilfst mir?«, fragte Andrej zähneklappernd, holte noch einmal tief Luft und tauchte dann mit geschlossenen Augen unter.
Zumindest in einem Punkt hatte der Matrose die Wahrheit gesagt: Die Bilge – der spitz zulaufende Raum unmittelbar über dem Kiel – war kaum anderthalb Meter hoch, sodass er sich einfach auf die Knie herabsinken ließ, um den Boden unter sich abzutasten. Die EL CID mochte ja gerade vor ein paar Tagen erst vom Stapel gelaufen sein, aber hier unten hatte sich bereits der erste Unrat angesammelt. Andrejs tastende Hände erfühlten etliches, über dessen genauere Beschaffenheit er gar nicht so genau Bescheid wissen wollte (darunter auch etwas, das sich verdächtig nach einer toten Ratte anfühlte), bis er auf Widerstand traf und tatsächlich im nächsten Moment einen Spalt zwischen den ansonsten sorgsam abgedichteten Planken fand. Er konnte spüren, wie das kalte Wasser aus dem Hafenbecken hereinströmte; gerade eine Winzigkeit schneller, als die Männer an der Pumpe im Nebenraum es wieder hinausbefördern konnten. Der Riss war etwas breiter als zwei nebeneinandergelegte Finger, doppelt so lang wie seine Hand, und lief an beiden Seiten spitz zu.
Als ihm die Luft knapp zu werden drohte, machte er kehrt, schwamm zur Luke zurück und tauchte genau in dem Moment heftig prustend und um Atem ringend wieder auf, als der Matrose zurückkam, begleitet von einem zweiten Mann, und beide Arme bis unter das Kinn mit Stoff, Hanfseilen und anderen Utensilien beladen, die nicht alle dazu beschaffen schienen, ein Leck abzudichten. »Das ist entschieden zu viel«, sagte er japsend. »Das Leck ist nicht besonders groß. Aber wirf das Zeug noch nicht weg, ich fürchte, du wirst es noch brauchen.« Er zog eine Grimasse, spuckte einen Mund voll eiskaltes Wasser zielsicher vor Abu Duns Füße und fuhr nach einem tiefen Atemzug fort: »Na ja, oder wahrscheinlich eher ich.«
»Was soll das heißen?«, fragte der Mann misstrauisch. Statt zu antworten, deutete er mit müder Geste unter sich. »Wie viele dieser Kammern gibt es?«
»Das darf ich dir nicht sagen«, antwortete der Matrose. »Aber du stellst eine Menge neugieriger Fragen, finde ich.«
»Immerhin hast du uns belogen«, sagte Andrej geradeheraus.
»Belogen?«
»Diese Arbeit ist ganz leicht«, zitierte Andrej, wenigstens sinngemäß. »Und so ungefährlich, dass selbst dein dreijähriger Sohn sie erledigen könnte?«
Der Matrose sah ihn durchdringend und misstrauisch an, aber dann seufzte er und machte ein Gesicht, als fühle er sich ertappt. »Du hast recht«, sagte er. »Ich habe gelogen. Ich habe gar keinen Sohn. Wie hast du es herausgefunden?«
Andrej blieb nicht nur ernst, ihn packte auch der Zorn. »Dieses Schiff ist wahrscheinlich das größte Geheimnis, das im Hafen von Cádiz liegt«, sagte er. »Kein Fremder darf es auch nur ansehen, geschweige denn betreten – aber Abu Dun und ich bekommen gleich eine Privatführung durch alle Decks?« Er schnaubte abfällig. »Die Arbeit dort unten ist nicht harmlos, sondern grenzt an Selbstmord. Ihr habt Pedro gebeten, nach ein paar Dummköpfen Ausschau zu halten, weil du das Leben deiner Männer nicht aufs Spiel setzen willst, habe ich recht? Oder weil keiner von ihnen bereit war, da hinunterzutauchen.« Er rechnete nicht mit einer Antwort, und er bekam auch keine. »Aber ich habe eine Überraschung für dich«, fuhr er fort. »Wie es aussieht, habt ihr einen Saboteur an Bord.«
»Wie kommst du darauf?« Der Mann war ob der Anschuldigung überrascht – aber nicht so sehr, wie er es eigentlich sollte, fand Andrej.
»Das da unten ist ein Axthieb.«
»Ein Axthieb?« Jetzt wirkte der Matrose doch verblüfft. Dann begann er zu lachen. »Ein Axthieb?«, fragte er kopfschüttelnd. »Du bist völlig verrückt! Das ist mehr als ein Fuß Eichenholz da unter dir! Kein Mensch auf dieser Welt kann das mit einer Axt zerschlagen.«
Damit mochte er recht haben, dachte Andrej … auch wenn er den ein oder anderen kannte, der durchaus dazu in der Lage war. Fast hätte er unvorsichtigerweise einen erschrockenen Blick mit Abu Dun getauscht.
»Willst du es dir selbst ansehen?«, fragte er.
»Zweifellos«, antwortete der Matrose. »Sobald du das Leck abgedichtet hast und meine Männer die Bilge leer gepumpt haben.« Er reichte

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