Goettersterben
es, was er fühlte. Er wollte dieses … Ding umbringen. Ganz gleich wie, und ganz gleich, was es ihn kostete. Aber das Einzige, wozu er imstande war, war die Augen zu öffnen und den verschwommenen Schatten anzustarren, der über ihm schwebte.
»Ich weiß nicht genau, was ich jetzt mit dir tun soll, kleiner Unsterblicher«, sagte Loki. Andrej versuchte vergeblich, seinen Ton zu deuten. Er war spöttisch, kein Zweifel, aber es lag auch eine Drohung darin, vor der es kein Entrinnen gab. »Ich bin ein wenig enttäuscht von dir, Andrej, aber zugleich auch stolz. Du hast meine Erwartungen in dich nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen. Du bist mein bester Schüler seit sehr, sehr langer Zeit.«
»Fahr zur … Hölle«, stieß Andrej hervor.
»Aber da bin ich doch schon«, antwortete Loki seufzend. »So wie ihr alle übrigens auch, nur nebenbei bemerkt.«
»Was … willst du von … mir?«, keuchte Andrej. Jedes einzelne Wort war wie ein glühender Draht, der langsam durch seine Kehle gezogen wurde.
»Also die ehrliche Antwort auf diese Frage wäre natürlich: deinen Tod«, antwortete Loki belustigt. »Aber ich habe andere Pläne mit dir. Du hast meine Erwartungen in dich nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Dieser alberne Dummkopf hier hätte auf mich hören sollen.« Er versetzte dem toten Vampyr einen Tritt.
»Dabei war er mein bester Mann … jedenfalls hat er das immer behauptet. Und ich fürchte beinahe, dass er sogar recht damit hatte.« Er versetzte dem Toten einen weiteren Tritt. »Wirft das nun ein besonders schlechtes Licht auf meine Fähigkeiten als Heerführer oder ein besonders gutes auf dich?«
Irgendwoher nahm Andrej die Kraft, nicht nur die roten Schleier vor seinen Augen wegzublinzeln, sondern sich auch auf die Ellbogen hochzustemmen und mit einer fahrigen Bewegung nach dem Schwert zu tasten, das Loki ihm wieder in den Gürtel geschoben hatte. »Wenn du mich … umbringen willst, warum … tust du es dann nicht … einfach?«
»Ich habe es ja versucht«, antwortete der Schatten. Er klang amüsiert, aber auch ein wenig enttäuscht. »Dreimal, um genau zu sein – und dabei habe ich diesen Dummkopf noch nicht einmal mitgezählt.« Er seufzte tief. »Es wird immer schwieriger, wirklich gutes Personal zu finden, ist dir das eigentlich auch schon aufgefallen?« Andrej hütete sich, zu antworten. Er hatte noch immer Mühe, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben, und er wollte Loki nicht die Genugtuung bieten, ihn zu verhöhnen. Er würde jetzt sterben, dass war ihm klar. Abu Dun hatte recht gehabt. Seine Suche hatte ihn am Ende zu einem Feind geführt, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Er verspürte tatsächlich einen unerwarteten Anflug von Furcht, aber auch das würde er Loki ganz gewiss nicht zeigen.
»Und das ist auch gar nicht notwendig, mein Freund«, sagte Loki.
Andrej erschrak. Las der Unsterbliche seine Gedanken? »Selbstverständlich«, sagte Loki. Er klang immer noch amüsiert. »Hast du dein kleines Techtelmechtel mit Meruhe etwa schon vergessen? Sie wird ziemlich enttäuscht sein, wenn ich ihr davon erzähle, fürchte ich. Sie erinnert sich nämlich noch sehr gut an dich … was an sich schon außergewöhnlich genug ist. Schließlich bist du wenig mehr als ein Sterblicher. Aber du scheinst Eindruck auf sie gemacht zu haben.«
»Du wirst sie … in Ruhe lassen«, sagte Andrej leise. »Oder was?«, erkundigte sich Loki. Er lachte. Die Schatten, die sein Gesicht verbargen, flatterten auseinander und huschten dann ebenso lautlos wieder an ihren Platz zurück, doch der Moment war zu schnell vorbei, als dass er wirklich einen Blick auf sein Antlitz hätte werfen können.
»Nein, du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen«, fuhr der Schatten fort. »Ich würde ihr niemals etwas antun … ganz davon zu schweigen, dass ich dazu gar nicht in der Lage wäre. Hast du schon vergessen, dass wir einander nichts antun können?«
»Was willst du von mir?«, stöhnte Andrej. Warum brachte er es nicht endlich zu Ende?
»Ich habe nicht vor, dich zu töten«, sagte Loki, der abermals seine Gedanken gelesen hatte. »Ich wollte deinen Tod, das ist wahr. Aber du hast mir bewiesen, dass das ein schwerer Fehler gewesen wäre.« Er beugte sich abermals über Andrej und war ihm jetzt so nahe, dass dieser seinen Geruch wahrnehmen konnte, ein Hauch aus Schweiß, einem süßlichen Parfüm und Raubtiergestank, gerade an der Grenze dessen, was selbst seine scharfen Sinne noch wahrnehmen konnten. Andrej
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