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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vermochte sein Gesicht immer noch nicht zu erkennen, aber er spürte, dass das spöttische Lächeln in den unsichtbaren Augen über ihm einer diamantenen Härte gewichen war. »Du wirst mir gehören, Unsterblicher«, fuhr er fort. »Schon bald.«
»Nie…mals«, murmelte Andrej. Glaubte er das wirklich? Auf seiner Zunge war noch immer der süße Geschmack der beiden Leben, die er gerade genommen hatte, und das verlockende Wissen, dass dort, wo dieses verbotene Mahl hergekommen war, noch sehr viel mehr war, unendlich viel mehr.
»Und dass es niemanden auf dieser ganzen Welt gibt, der dich daran hindern kann, es dir zu nehmen.« Andrej wusste nicht, ob es wirklich Loki gewesen war, der diese Worte sprach, oder das Flüstern vielleicht aus ihm selbst gekommen war.
Der Schatten stand auf, wich unter die Tür zurück und war nun wieder nur noch zu erahnen. »Auch wenn ich weiß, dass du ihn nicht befolgen wirst, gebe ich dir trotzdem noch einen Rat, Andrej«, sagte er. »Kämpf nicht dagegen an. Du wirst es trotzdem tun, das weiß ich, aber es ist ein Kampf, den du nicht gewinnen kannst. Nicht einmal du.«
Und damit verschwand er, und nur einen halben Atemzug später versagten Andrejs Kräfte endgültig, und er verlor das Bewusstsein.

11

N
    icht für lange, das spürte er, noch bevor er die Augen wieder aufschlug. Er war nicht mehr allein. Zahlreiche Personen waren in seiner Nähe, zwei davon unmittelbar: Abu Dun und Rodriguez.
    »Du kannst jetzt aufhören, dich schlafend zu stellen, Hexenmeister«, sagte der Nubier auf Persisch. »Die Arbeit ist erledigt, du kannst also ruhig aufstehen.« Gut, Abu Dun war offensichtlich wieder ganz der Alte. Andrej schluckte die Entgegnung herunter, die ihm dazu auf der Zunge lag, stemmte sich halb in die Höhe und schlug erst dann die Augen auf. Das Erste, was er sah, war Abu Duns schwarzes Gesicht, das von einem strahlend weißen Grinsen in zwei ungleiche Hälften geteilt wurde. Dass seine Augen dabei so ernst blieben, wie Andrej es nur selten bei ihm beobachtete, machte den Anblick nicht unbedingt angenehmer.
Schweigend stand Andrej auf und tastete instinktiv nach dem Schwert an seinem Gürtel, obwohl er Gunjirs vertrautes Gewicht längst gespürt hatte. Die Klinge zu berühren hatte jedoch etwas sonderbar Beruhigendes, und er schloss die Finger noch fester um den mit Leder umwickelten Griff. Die Bewegung blieb Abu Dun nicht verborgen. An seinem aufgesetzt-schadenfrohem Grinsen änderte sich nichts, aber sein Blick wurde fragend. Andrej tat so, als hätte er es nicht bemerkt, und wandte sich mit einem Ruck um.
Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Rodriguez kniete gleich hinter ihm und beugte sich über den toten Briten, stand jedoch genau in diesem Moment wieder auf und drehte sich herum, fast als hätte er seinen Blick gespürt. Aus der Tür in seinem Rücken, die jetzt offen stand, drangen flackernder rötlicher Lichtschein und aufgeregte Stimmen, und Andrej spürte auch in der schmalen Gasse hinter sich Menschen. Aber niemand kam ihnen nahe. Andrej fragte sich, ob sie vielleicht spürten, was hier geschehen war, und instinktiv vor der Nähe des toten Vampyrs zurückschreckten.
Vielleicht auch vor ihm.
»Das war gute Arbeit, Señor Delãny«, sagte Rodriguez. »Seid Ihr verletzt?«
»Nein«, antwortete Andrej. »Und mit Verlaub, Colonel, es war keine gute Arbeit.«
Rodriguez blickte fragend.
»Er hat sie getötet«, sagte Andrej ernst. »Beide Kinder. Das hätte nicht passieren dürfen.«
»Und Gonzales«, fügte Rodriguez hinzu. »Den Henker. Ich weiß. Seine Frau hat mir erzählt, was passiert ist.« Sein Blick wurde noch finsterer, zugleich aber auch sanft. »Sie hat mir auch erzählt, wie tapfer Ihr gekämpft habt, Señor Delãny.«
»Nicht tapfer genug«, beharrte Andrej. »Sonst wären die beiden Kinder noch am Leben.«
»Sie waren immerhin zu zweit. Und wenn ich mir diesen Kerl da ansehe, dann wundere ich mich, dass Ihr ihn überhaupt besiegen konntet. Der Kerl muss stärker gewesen sein als ein Ochse.«
Andrej widersprach nicht mehr. Rodriguez würde ohnehin keinen Widerspruch gelten lassen, ganz gleich was er sagte. Also deutete er nur ein Schulterzucken an und zeigte knapp auf den Toten hinunter. »Ihr solltet ihn verbrennen lassen«, sagte er.
»Nichts anderes habe ich vor«, erwiderte Rodriguez, doch Andrej schüttelte nur den Kopf.
»Verbrennt ihn«, sagte er noch einmal. »Am besten gleich.«
»Bevor er wieder aufwacht, meint Ihr?«, Rodriguez lächelte zwar,

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