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Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Schütz
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wenigstens noch bewahren.
    Der Richter eilte mit eingezogenem Kopf vom Schafott und wurde von einem halben Dutzend Stadtwachen zu seiner Kutsche geleitet.
    »So, jetzt geht's los. Ihr seid meine letzte Fuhre für heute.« Der Henker rieb sich die Hände und stellte sich vor den Hebel, mit dem die Falltüren unter ihnen geöffnet wurden. »Auf euch warten schon die Krähen!«
    Rowen schluckte. Verbrechern wurde keine ehrenhafte Bestattung vergönnt. Zur Freude des Federviehs und zur Abschreckung von Neuankömmlingen stellte man die Leichen auf den Zinnen des Haupttors aus. »Bitte spießt mich in Richtung der Hurenhäuser in Sturzstadt aus – ich will auch im Tode noch was zu gucken haben«, rief er dem Henker zu.
    Einige in der Menge hörten den Spruch und brachen in Gelächter aus. Der Scharfrichter brummte etwas Unverständliches.
    Einmal hatte ihn seine Schwester Clodia gefragt, warum er selbst in höchster Gefahr noch reimte und witzelte. »Weil ich mich fürchte«, hatte er ihr gesagt. »Und es hilft mir, die Angst einfach auszulachen.«
    Aber diesmal half es nicht.
    Wie eisiger Knorpel wucherte die Angst um sein Herz. Mit jedem seiner Schläge erwartete er das Klacken des Mechanismus, die Leere unter seinen Füßen.
    Ein Raunen ging durch die Menge. Holz ächzte.
    Als der Boden unter ihm verschwand, überwog zunächst die Überraschung, nicht der Schmerz. Der Strick zog sich stramm. Reflexartig strampelte er mit den Beinen. Verflucht! Sein Genick war nicht gebrochen. Nach Luft japsend, wand er sich hin und her, wie ein Fisch an der Angel.
    Das Johlen und Brüllen der Massen vereinte sich mit dem Rauschen in seinem Kopf. Dann hörte er einen stechenden Pfeifton.
    Atmen, ich muss atmen!
    Schwarz und Weiß wechselten sich vor seinen Augen ab. Sein Herz schlug so schnell, dass es seine Brust beinahe zerschmetterte.
    Luft! Luft!
    Über ihm ein Ächzen. Ein kurzer Schlag.
    Plötzlich fiel er.
    Er schlug auf etwas Hartes auf und Schmerz raste durch seine Knochen. Aber da war Luft! Die Schlinge hatte sich gelockert. Er konnte tatsächlich atmen. Blinzelnd öffnete er die Augen. Rowen musste sich erst an das Zwielicht unter dem Schafott gewöhnen, das im völligen Gegensatz zum Sonnenlicht des Mittags stand. Er starrte auf das Kopfsteinpflaster unter ihm, das mit seinem Blut besudelt war. Dem Pochen in seinem Schädel nach war seine Stirn aufgeplatzt.
    Das Seil war gerissen. Es war tatsächlich gerissen.
    Jetzt hörte er auch das Jubeln der Menge. »Rowen! Rowen!«, skandierten sie.
    »Verfluchte Scheiße, so was ist noch nie passiert!« Über ihm polterten die Schritte des Henkers auf den Holzbohlen. Die Rufe der Wachen mischten sich unter den Lärm des Volkes.
    Ich muss hier weg! Die Hände immer noch auf den Rücken gefesselt, rappelte er sich auf, indem er sich mit der Schulter hochstützte. Gebückt huschte er los.
    »Da bist du ja!«
    Rowen warf einen Blick zurück. Der Henker hatte sich unter das Schafott gezwängt und rannte ihm nach. Sein Richtschwert, so lang wie zwei Armlängen, hielt er in beiden Händen.
    Aber dieses Käsemesser konnte so lang sein, wie es wollte, der Henker würde ihn nicht kriegen. Diese Situation war wie geschaffen für die Maus, für einen kleinen und flinken Mann. Trotz seiner Fesseln schlüpfte er unter den Stützbalken hindurch und sprintete schließlich aus dem Schatten des Podests. Das einzige, was er vom Henker zu spüren bekam, waren dessen schnaufend hervorgebrachten Verwünschungen.
    Wenn die Maus einmal flitzt,
    ist die Sache geritzt.
    Das grelle Sonnenlicht und die pochenden Kopfschmerzen ließen Rowen einen Moment schwindeln. Seine nackten Fußsohlen brannten. Als die Menge ihn erspähte, schwoll ihr Jubelgebrüll nochmals an. Verflucht, warum feierten sie ihn wie einen Volkshelden?
    Er hatte doch nichts Großartiges getan.
    Er hatte nur überlebt.
    In ihren dunkelblauen Waffenröcken, auf denen der weiße Sichelmond prangte, hoben sich die Stadtwachen deutlich vom Volk ab, das überwiegend Grau und Braun trug. Vier von ihnen standen ihm gleich gegenüber.
    Noch immer hatten sie mehr als genug damit zu tun, mit ihren Hellebarden die feiernden Massen vom Schafott zurückzuhalten. Unschlüssig wanderten ihre Blicke zwischen der Menschenmenge und ihm hin und her.
    Ihre mangelnde Entschlusskraft musste er nutzen. Mit weiten, federnden Schritten rannte er über den Platz. Genau auf die Lücke zwischen zwei der Wachen zu.
    Der linke der beiden sah ihn kommen. Er war ein bleicher

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