Göttin der Rosen
brannte noch ein Leuchter mit mehreren Kerzen. Sie biss sich auf die Lippe und wandte sich schnell von dem gemütlichen Anblick ab.
Sie lief die Treppe hinunter und in den Garten, nahm den Weg, der direkt ins Zentrum des Reichs, zum Tempel und zu dem Brunnen, führte, die sie dort erwarteten. Unterwegs achtete sie sorgfältig darauf, ihre Gedanken auf die Rosen zu konzentrieren und sie nicht zu den Elementaren oder zu Asterius abschweifen zu lassen. Schließlich wollte sie ja nicht, dass diese sie missverstanden und glaubten, sie würde nach ihnen rufen. Was sie jetzt tun musste, konnte sie nur allein bewerkstelligen. Und es war nicht schwierig, bei den Rosen zu bleiben. Sie schienen sie dringend zu brauchen.
Krank … Gott, sie fühlte sich krank. Je näher sie zum Zentrum des Reichs gelangte, desto übler wurde ihr. Zwei- oder dreimal blieb sie stehen und inspizierte ein Rosenbeet, das nur wenige Stunden zuvor bereits begonnen hatte, auf die Pflege und Fürsorge zu reagieren, die sie und die Frauen ihm hatten angedeihen lassen. Jetzt aber waren diese Beete wieder schwarz von der Krankheit der Traumdiebe und rochen nach Tod.
Mikkis Instinkt hatte sie nicht getrogen, aber es war sogar noch schlimmer, als sie gedacht hatte. Die Pilzkrankheit hatte sich unglaublich schnell verbreitet, und erneut fühlte Mikki sich in ihrer Vermutung bestätigt, dass es sich um keine gewöhnliche Krankheit handeln konnte. Aber es war ja auch nichts Gewöhnliches, es war die Manifestation des Bösen, und sie wusste intuitiv, dass es nur eine einzige Möglichkeit gab, dagegen anzukämpfen.
Hekates Tempel sah aus wie ein mit Fackeln beleuchteter Traum, untermalt vom Rauschen des Wassers in dem riesigen Brunnen. Doch Mikki ging weiter, bis die Lichter an der Rosenmauer vor ihr auftauchten. Es war leicht, die Büsche zu finden, die von ihrem Blut berührt worden waren, denn es waren die einzigen Farbtupfer inmitten von Dunkelheit, Tod und Krankheit.
Ich hatte recht. Ich wollte, ich hätte mich geirrt, aber ich hatte leider recht.
Mit eiligen Schritten lief sie den Weg, den sie gekommen war, zurück zum Tempel, wobei sie nur innehielt, um die Schere zu holen, die sie gestern unter einem Rosenbusch versteckt hatte. Dann stieg sie die Stufen zum Tempel empor und stellte sich vor die Geist-Flamme.
»Hekate«, sagte sie leise und blickte in die gelb-orangefarbene Flamme, »ich weiß, Ihr seid weit weg von Eurem Reich, aber ich hoffe, Ihr steht noch in Verbindung mit ihm … und mit mir …, so dass Ihr mich hören könnt. Ich muss mit Euch sprechen, bevor ich mein Vorhaben zu Ende führe. Ich möchte Euch wissen lassen, wie gern ich hier war. Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich, dass ich dort bin, wo ich hingehöre. Die vier Elementare sind gute Mädchen, vor allem Gii. Wenn Ihr könnt, sagt ihnen bitte, dass ich dankbar bin für alles, was sie für mich getan haben.«
Sie holte tief Luft und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.
»Ich liebe Asterius. Wahrscheinlich gefällt Euch das nicht, aber Ihr habt mir gesagt, ich soll meinem Instinkt folgen, und alles in meinem Innern hat mich zu ihm geführt. Er ist kein Biest, wisst Ihr, er braucht das, was wir alle brauchen – akzeptiert zu werden und jemanden lieben zu können.« Mikki musste innehalten und sich die Hand auf den Mund drücken, denn sonst hätte sie laut geschluchzt. Als sie ihre Gefühle wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, fuhr sie fort: »Er ist der Grund, weshalb ich mich zu diesem Vorgehen entschlossen habe – er und die Frauen und die Traumweberinnen. Endlich kenne ich den wahren Grund, weshalb ich hier bin. Es sind tatsächlich die Rosen. Ich kann sie retten. Ich habe eigentlich keine andere Wahl, denn ich habe gesehen, was im Wald lauert, und ich kann nicht zulassen, dass diese Kreaturen all das zerstören, was ich liebe.«
Mikki starrte ins Feuer und wünschte, sie könnte sich besser ausdrücken, wünschte, sie hätte mehr Zeit, die richtigen Worte für Gebete und Rituale zu lernen.
»Mit zwei Wörtern habe ich mich Euch verpflichtet: ›Liebe‹ und ›Vertrauen‹. Und diese beiden Wörter sind es, die mich hierher zurückführen. Was ich jetzt tun werde, geschieht aus freiem Willen, weil ich die Liebe erhalten möchte, die ich in diesem Reich gefunden habe, und ich glaube, ich tue das Richtige, denn durch diese Liebe habe ich auch gelernt, mir selbst zu vertrauen und an meinen Instinkt, meine Intuition und mein eigenes Urteil zu glauben. Deshalb
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