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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hier.«
    Die Hänge der Auasberge waren, wie auch jene des gegenüberliegenden Khomas-Hochlandes, mir braungrünem Steppengras bewachsen. Andere Gewächse gab es kaum, nur ein paar Büsche und knorrige Dornbäume. In windgeschützteren Senken standen vereinzelt Akazien.
    »Sie sollten die Strecke zwischen dem Anwesen und der Stadt übrigens nie allein zurücklegen«, riet Valerian ihr. »Nehmen Sie immer einen Eingeborenen mit. Einige, denen mein Vater vertraut, dürfen Waffen tragen, und es kann sehr nützlich sein, einen von ihnen an der Seite zu haben.«
    Cendrine war schon aufgefallen, daß ein Gewehr neben dem schweigsamen Mann auf dem Kutschbock lag. »Haben Sie solche Angst vor Aufständen?«
    »Darum geht es nicht. Sicher hassen sich einige Völker Südwests seit Jahrtausenden, aber ich bezweifle, daß sie im Auftrag des weißen Mannes mit einem Gewehr aufeinander anlegen würden. Nein, die Waffen sind nötig wegen der Raubtiere. Zwar sind sie seit der Besiedlung der Ebene seltener geworden, aber ab und an gibt es hier immer noch Löwen und Geparden.«
    Der kauernde Mann auf dem Kutschbock machte nicht den Eindruck, als würde er im Falle eines Raubtierangriffs eine große Hilfe sein, doch das mochte täuschen. Die Eingeborenen in Windhuk hatten ähnlich gleichgültig dreingeschaut; vielleicht war das nur die natürliche Reaktion auf die Unterdrückung durch die Kolonisten.
    Eine weitere halbe Stunde verging, ehe sie von einem Bergkamm in ein seichtes Tal hinabblickten. Zu Cendrines Überraschung waren die Hänge und der Grund des Tals mit Weinreben bewachsen, angepflanzt in endlosen Reihen, zwischen denen Dutzende von Eingeborenen mit der Pflege der Pflanzen beschäftigt waren. Neben Frauen und Männern arbeiteten hier auch zahllose Kinder. Das weite Panorama erstaunte Cendrine. Weder hatte sie gewußt, daß die Kaskadens neben ihren Erzminen auch ein Weingut unterhielten, noch hätte sie dies in Anbetracht der kargen Savannenlandschaft auf dem Weg hierher für möglich gehalten.
    Ihr stockte der Atem, als sie im Zentrum des Tals das Heim der Kaskadens entdeckte. Was sie sah, war weit mehr als das prächtige Landhaus, das sie sich in ihrer Phantasie ausgemalt hatte. Cendrine hatte keine Erfahrung in solchen Dingen, doch allein vom Äußeren her schätzte sie das Anwesen auf mindestens fünfzig Zimmer.
    Während sie einem Weg folgten, der schnurgerade durch die Reihen der Weinreben schnitt, erkannte sie immer neue Details. Der gewaltige Bau umfaßte U-förmig einen kiesbedeckten Innenhof, der sich an der Eingangsseite zu einer Art Park öffnete. Der Garten war ummauert und grenzte an ein zweigeschossiges Torhaus, die Zufahrt zur Anlage. Die Gebäude waren der englischen Landhausarchitektur des vergangenen Jahrhunderts nachempfunden, mit Zinnen am Rande der Dächer, unzähligen Erkern und Giebeln, hohen steinernen Kaminen und großen Fenstern. Im Hintergrund, jenseits des Haupthauses und seiner weitläufigen Nebenflügel, erhob sich eine Kirche, deren Glockenturm große Ähnlichkeit mit dem Bergfried einer Burg aufwies; sein Dach war flach und von einem hohen Zinnenkranz umgeben.
    Einzig das Gestein, aus dem all die Gebäude errichtet worden waren, konnte dem Vergleich mit der viktorianischen Bauweise nicht standhalten. Statt grauer oder weißer Fassaden waren diese hier aus sandfarbenem, im Sonnenlicht rötlich schimmerndem Stein erbaut.
    Als das Pferdegespann den kurzen Tunnel unter dem Torhaus passierte, bemerkte Cendrine, daß Valerian sie abermals beobachtete.
    »Ich bin beeindruckt«, gestand sie. »Wie viele Menschen sind nötig, um das alles instand zu halten?«
    »Im Inneren des Hauses sind fünfundzwanzig Diener beschäftigt, und noch einmal siebzig in den Gärten und Pferdeställen. Dazu kommen während der Ernte einige hundert draußen in den Weinbergen, aber denen ist es untersagt, das eigentliche Anwesen zu betreten.«
    »Und die Bediensteten im Haus, sind die weiß oder schwarz?«
    »Alles Eingeborene.« Ihm war anzusehen, daß er damit keineswegs einverstanden war. »Eine fixe Idee meines Vaters. Natürlich wurden alle eingehenden Schulungen unterzogen, und die meisten sprechen die deutsche Sprache nahezu fließend.« Er verzog die Mundwinkel zu einem kühlen Lächeln. »Zum Glück haben diese Wilden sehr schnell gelernt, auf unsere Gewohnheiten und Ansprüche einzugehen. Was wieder einmal beweist, daß die schwarze Rasse zum Dienen geschaffen wurde.«
    Sie verdrehte die Augen und fragte

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