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Göttin des Lichts

Titel: Göttin des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
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Stimme.
    »Doch wenn genug sich vergnügt hat die jagdfreudige Göttin,
    und sie den federnden Bogen abspannt, so geht sie zum herrlichen Haus ihres Bruders,
    Phoebus Apollon, im üppigen Landstrich von Delphi …«
    Er nickte Apollo zu, der in majestätischer Zustimmung den Kopf neigte.
    »… um zu ordnen den zaubrischen Tanz der Musen und Grazien.
    Fort hängt sie den spannkräftigen Bogen und ihre Pfeile,
    schmückt sich mit edlem Geschmeide
    und geht dem Reigen voran. Göttlich ist der Gesang und erzählet,
    wie die anmutige Leto ihre Kinder gebar,
    die besten der Götter in Rat und Tat.
    Sei mir gegrüßt, o Tochter des Zeus und der schönlockigen Leto!
    Ich will dein Lob singen immerdar …«
    Eddies Stimme hielt den letzten Ton, während die Harfenistin eine phantasievolle Schlusskadenz improvisierte. Als das Lied verklang, wurde die Nacht sehr still. Pamelas Blick wanderte von Eddie zu Artemis und verharrte dort, denn zu Pamelas Erstaunen füllten sich die hinreißenden blauen Augen der Göttin mit schimmernden Tränen. Dann beugte sie sich vor und küsste Eddie auf die Lippen.
    »Du kennst die Homerischen Hymnen«, flüsterte die Göttin dicht am Gesicht des großen Mannes.
    »Ja, ich kenne die Homerischen Hymnen«, erwiderte Eddie ernst.
    »Das überrascht mich, Eddie.«
    Als Pamela das so ehrlich erfreute Lächeln der Göttin sah, stockte ihr der Atem, so schön war sie.
    »Bruder«, sagte sie, sah dabei aber weiter Eddie an, »ich möchte unseren Gastgeber für seine scharfe Beobachtungsgabe belohnen. Spielst du für mich?«
    »Gerne«, antwortete Apollo, »aber ich habe kein Instrument.«
    Sofort dröhnte Eddies unverwechselbare Stimme über die Terrasse. »Genug Musik für heute Abend«, rief er den Musikern zu. »Ihr könnt gehen. Aber lasst eure Instrumente da. Mein Assistent wird sie morgen unbeschadet zurückbringen.«
    Rasch und dezent verschwanden die drei Frauen, und Pamela fragte sich, wie viel Geld Eddie ihnen wohl bezahlte, wenn sie ihre Instrumente einfach liegenließen, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Nun nahm Apollo den frei gewordenen Stuhl der Harfenistin ein und legte die Hände auf die Saiten, ohne sich auch nur einen Funken von Nervosität anmerken zu lassen. Er war der Gott der Musik. Seit unzähligen Jahrhunderten huldigten ihm die Harfenspieler und sangen sein Lob. Die Musen verehrten ihn. Seit dem Tag, als er Hermes überredet hatte, ihm die erste der Menschheit bekannte Leier zu schenken, war es für ihn selbstverständlich gewesen, das Instrument wahrhaft göttlich zu beherrschen. Es war wie die Luft, die er atmete, wie der Wein, den er trank – selbstverständlich, immer vorhanden. Aber heute war er nicht der unsterbliche Apollo, sondern nur ein Mann. Er kannte die Noten, die Harfe fühlte sich vertraut an. Trotzdem grummelte sein Magen vor Aufregung. Was, wenn sein Talent sich mit seinen göttlichen Kräften verflüchtigt hatte? Was, wenn er die falschen Töne traf? Oder noch schlimmer – wenn er die richtigen Töne spielte, aber so schlecht, dass sie falsch klangen?
    Er blickte auf. Artemis hatte sich erhoben und entfernte sich graziös vom Tisch, damit sie Platz zum Tanzen hatte. Eddie ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Offenbar hatte sich der Autor bis über beide Ohren in sie verliebt. Apollo drückte die Hände auf die Saiten. Er konnte verstehen, wie der große Mann sich fühlte. Zögernd wandte er seinen Blick Pamela zu. Sie beobachtete ihn aufmerksam. Zweifellos wartete sie gespannt darauf, ihn spielen zu hören, und in diesem Augenblick wünschte er sich, dass er seine göttlichen Gaben noch hätte – oder in Wirklichkeit der Sterbliche Phoebus war. Auf einmal sehnte er sich danach, einfach nur einer von beiden zu sein. Zwischen den beiden Welten festzustecken, war seltsam anstrengend.
    »Spiel Terpsichores Lieblingsmelodie«, sagte seine Schwester gebieterisch.
    Natürlich kannte Apollo die Melodie. Er war dabei gewesen, als die Muse des Tanzes sie erschaffen hatte, und er hatte sie für sie gespielt, als sie bei einem von Zeus’ großen Banketten aufgetreten war. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Die ersten Töne kamen vorsichtig und zögernd, leise, fast unhörbar, aber seine Finger bewiesen mehr Selbstbewusstsein als der übrige Apollo. Sie kannten das Gefühl der silbernen Saiten, und sie wanderten über das Instrument wie alte Freunde, die sich begrüßten.
    Apollo öffnete die Augen. Artemis schwebte über die Terrasse in einer

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