Göttin des Lichts
überdimensionales Huhn. Apollo stand den beiden auf der anderen Seite des Tischs gegenüber, und Pamela spürte seinen Blick auf sich ruhen. Schnell blinzelte sie die Tränen weg, straffte die Schultern, setzte ein professionell herzliches Lächeln auf und schloss sich der kleinen Gruppe am Tisch an. Natürlich bestand Eddie darauf, dass sie sich neben Phoebus setzte. Bevor sie richtig saß, erschien zum Glück ein Schwarm von Kellnern am Tisch.
Eddie hatte das Essen als einfach beschrieben, und Pamela fragte sich, was für ihn dann wohl extravagant war. Es wurden keine Gänge serviert, wie man es vielleicht in einem exklusiven Freizeitressort erwartet hätte, sondern nach Eddies Anweisung wurde alles gleichzeitig aufgetragen, so dass man eine enorme Auswahl von Speisen vor sich hatte: Salate aus wildem Wiesengrün, exotischen frischen Pilzen und winzigen Tomaten, köstlich nach frischem Knoblauch und Weißwein duftende Pasta, perfekt gegrillte Lachssteaks, mit Provolone, frisch gemahlenem Pfeffer und Meersalz überbackene Zucchinihälften. Während des Essens füllten die Kellner die Gläser immer wieder mit eiskaltem Champagner nach.
Alles schmeckte so köstlich, dass Pamela merkte, wie sie sich allmählich entspannte. Eddie und Apollo unterhielten sich angelegentlich über die Badegewohnheiten der alten Römer, und Pamela lauschte fasziniert, wie Apollo höchst lebendig aus einer Welt berichtete, die doch schon so lange untergegangen war.
»Dann wurde das Baden also zu einer sozialen Aktivität«, bemerkte Eddie, den Mund voller Lachs.
Apollo nickte. »Ja, man darf sich das nicht so vorstellen, dass nur gebadet wurde, um sich zu reinigen. Die römischen Bäder waren viel mehr als das. So war es beispielsweise nicht ungewöhnlich, dass es im gleichen Badekomplex Sportbereiche, Masseure, Barbiere, Restaurants, Läden und Bibliotheken gab. Die Badehäuser waren Orte des Gemeinschaftsgeists, eine Lebensader zu dem, was in der Stadt passierte. In privaten Gemächern diskutierte man über Themen, die nicht für die Ohren der Öffentlichkeit bestimmt waren. Es wird immer wieder behauptet, dass sogar die Götter die römischen Badehäuser frequentierten, um die Intrigen des Tages mitzubekommen.«
»Ha! Könnte die Verschwörung gegen Cäsar dann nicht auch in einem römischen Bad ihren Ausgang genommen haben?«, fragte Eddie.
Artemis schnaubte verächtlich. »Cäsar! Dass er sich selbst als Gott bezeichnet hat, war nur einer seiner zahlreichen Fehler. Er hätte auf seine Frau hören sollen. Calpurnia hat ihn gewarnt. Aber in Rom hat man leider allzu oft nicht auf die Stimmen der Frauen gehört«, endete sie leidenschaftlich.
Eddies Augen wurden groß. »Jetzt weiß ich es, meine Schöne! Seit heute Morgen, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, habe ich darüber gegrübelt. Irgendetwas stimmte nicht – oder war jedenfalls nicht ganz richtig –, und jetzt verstehe ich endlich, was es war. Sie sind gar nicht Diana! Jetzt erkenne ich Ihre wahre Natur.«
Artemis zog eine Augenbraue in die Höhe und knabberte an ihrem zweiten Stück Lachs. »Ach wirklich?«
»Ja! Sie sind viel zu feurig für die blasse, ätherische Diana. Sie leuchten und funkeln nicht nur vom Licht des Vollmonds. Sie tragen in sich die Natur einer Jägerin. Morgen lassen wir die alberne Vase weg und nehmen stattdessen einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen. Genug von Dianas Sanftmut, es lebe die Göttin Artemis!«
Pamela verschluckte sich, und sofort eilte ein Kellner mit einem Glas Wasser herbei. Hustend warf sie Apollo einen Blick zu, aber Eddie war noch nicht fertig. Er presste die Hand aufs Herz, und plötzlich füllte er die Wüstennacht mit seiner tiefen, sonoren Baritonstimme, die den berühmten drei Tenören alle Ehre gemacht hätte.
»Von Artemis sing ich, der Schützin der goldenen Pfeile, die das Getöse der Jagd liebt,
und sich an ihr ergötzt, wenn sie zielt auf den Hirsch,
die ihren goldenen Bogen spannt und die bitteren Pfeile losschickt.
Ihr Herz ist kraftvoll, überall streift sie umher
Und erlegt die Brut wilder Tiere.«
Artemis legte die Gabel weg, als Eddie zu singen begann, und starrte ihn mit unverhohlenem Staunen an. Der große Mann hielt inne und winkte die Musiker zu sich, die das ganze Essen hindurch nur leise im Hintergrund gespielt hatten. Nun hörten sie auf, doch als Eddie wieder zu singen begann, griff die Harfenistin die Melodie auf, und der zauberhafte Klang der Saiten begleitete seine volle
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