Göttin des Lichts
gewesen, es dabei bewenden zu lassen.
Es geht vorbei
, rief er sich in Erinnerung, und er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er merkte, wie der Griff ihrer Magie sich wieder lockerte. Wütend starrte er zu seiner Schwester hinunter, aber diese ignorierte ihn. Er spürte, wie Pamela in seinem Arm schauderte, und begriff, dass der Bann auch bei ihr nachließ. Er atmete auf. Auf gar keinen Fall wollte er seine Kräfte einsetzen, um Pamela zu verführen – sie sollte frei und unverstellt auf ihn reagieren –, und Artemis’ Albernheiten waren ihm keineswegs willkommener als seine eigene Magie. Keins von beidem rief wirkliche Liebe hervor, sondern nur Lust – ein vorübergehendes Verlangen, das sich viel zu leicht stillen ließ. Und Apollo wollte mehr.
»Oh, schau mal«, sagte Pamela und deutete auf die Bühne, während sie sich bemühte, ihren Atem zu beruhigen. Anscheinend war sie körperlich noch ausgehungerter, als sie gedacht hatte, denn die Show machte sie total verrückt. Wenn Phoebus sie vor einer Minute auch nur angelächelt hätte, wäre sie sofort auf seinen Schoß gestiegen. Offensichtlich hatte V recht gehabt – wenn man zu lange keinen Sex hatte, wurde man irre. »Das Paar da unten hat gerade gesagt, dass sie zur Feier ihrer goldenen Hochzeit hierhergekommen sind.«
»Fünfzig Jahre sind sie schon zusammen!«, wiederholte Artemis, und die Menge klatschte höflich. Einer der Schauspieler eilte auf die Göttin zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Artemis lächelte, nickte und wandte sich wieder an das Jubiläumspaar. »Wärt ihr so nett, auf die Bühne zu kommen und zum Schluss unserer kleinen Vorstellung für uns zu tanzen?«
Apollo beugte sich vor, um besser sehen zu können, während das Paar langsam aufstand und unter freundlichem Applaus die Treppe zur Bühne hinaufstieg. Das Licht wurde gedämpft, ein sanfter Walzer begann. Zuerst bewegten sich die beiden etwas linkisch, aber dann fanden sie in einen fließenden, ungezwungenen Rhythmus. Doch auf einmal wirbelte der silberhaarige Mann seine Frau herum, packte den Saum ihres langen, umhangartigen Kleids, und überall im Saal waren überraschte Rufe zu hören, als sich ihr Kleid von ihrem Körper abwickelte, bis sie nur noch in einem Tanztrikot und einem dünnen, fließenden Rock auf der Bühne stand. Sie knickste wie eine Ballerina, dann nahmen sie und ihr Mann den Walzer wieder auf, diesmal mit der Eleganz professioneller Tänzer. Mühelos hob der Mann seine Partnerin auf die Schulter, drehte sich mit ihr, senkte sie wieder herab und holte sie mit großer Geste zurück in seine Arme. Schließlich endete der Tanz mit einem innigen Kuss im Zentrum der Bühne.
»Und so feiern wir die Liebe, die in jedem Lebensalter – auf jede erdenkliche Art – magisch ist und stets eine Spur der Unsterblichkeit in sich trägt. Geht hin mit meinem Segen, ihr Liebenden, und freut euch des Lebens, wo immer ihr wollt. Liebt, lacht und seid fröhlich!«, rief die Göttin, und in einem Funkenwirbel verschwand das ganze Ensemble durch eine Falltür im Bühnenboden.
Noch lange hielt der Applaus an, aber als keiner der Darsteller für eine Zugabe auf die Bühne zurückkehrte, begann sich der Saal allmählich zu leeren. Das Publikum bestand fast ausschließlich aus Paaren, und beim Hinausgehen hielten viele sich an den Händen, berührten einander und plauderten versunken und vertraulich.
Als auch die anderen Gäste auf der Galerie langsam aufbrachen, waren Pamela und Phoebus einen Augenblick ganz allein, fast so, als hätten sie ein geheimes Plätzchen mitten im dunkel werdenden Theater entdeckt. Zögernd stand Pamela auf. Die Situation erinnerte sie ein wenig an den vorhergehenden Abend, als sie sich im Regen geküsst hatten. Sie blickte zu Phoebus herüber, überwältigt von einem Verlangen, das im Rhythmus ihres Herzschlags durch ihren Körper kreiste. In diesem Moment wusste sie, dass sie mit ihm schlafen würde. Sie war es satt, sich zu begnügen, sie wollte die Freude, sie wollte glücklich sein. Auf einmal sprudelte es aus ihr heraus, als wäre plötzlich ein Damm aus Hemmungen und Bedenken gebrochen.
»Ich habe das Gefühl, mit dir in einer Welt zu sein, die nur uns beiden gehört. Wenn ich dich anschaue, glaube ich fast, dass ich doch noch eine zweite Chance habe.«
»Glaube ruhig daran«, erwiderte er leidenschaftlich. »Und glaube auch, dass ich dir niemals wehtun würde. Nimm mich als deinen Talisman, wie Apollo. Auch ich möchte,
Weitere Kostenlose Bücher