Goettin meines Herzens
trat und sich auf dem Stuhl niederließ, der am weitesten von Miranda entfernt stand.
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihn, sah das unbarmherzige Funkeln in den geliebten Augen, nahm das zerraufte dunkle Haar wahr, das davon kündete, dass er Großvaters Port oder Brandy ein wenig freizügiger zugesprochen hatte als gewöhnlich. Obwohl Kit sich ostentativ weigerte, zu ihr hinüberzuschauen, fühlte sie, wie sie gemustert wurde, und als sie hochsah, blickte sie geradewegs in Mr. Benedict Shaws herausfordernde Miene. Sie zog die Augenbrauen hoch.
Statt höflich den Blick abzuwenden, erwiderte er die Geste mit einem deutlichen Anflug von Ironie, und sie fragte sich, ob sie einen weiteren Feind gewonnen hatte. Zu ihrer Überraschung lächelte er aber sogleich und nickte ihr zu, als hätte er sich seine Meinung über sie gebildet. Schließlich stand er auf, kam zu ihr herüber und ließ sich neben ihr nieder. Gewiss war Mr. Shaw nicht entgangen, mit welch finsteren Blicken Kit ihn bedachte, als er seine mächtige Gestalt zwischen Miranda und die restlichen Anwesenden schob, oder etwa doch?
„Sie haben Ihren Liebsten gekränkt, nicht wahr, Mrs. Braxton?“, fragte er leichthin.
„Das hoffe ich nicht“, versicherte sie ruhig.
„Er mag im Moment viel zu sehr damit beschäftigt sein, einen Narren aus sich zu machen, sodass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Gewöhnlich kann Kester indes Schwarz von Weiß unterscheiden. Sie müssen ihm nur genügend Zeit geben, sich zu beruhigen und die Angelegenheit sachlich zu betrachten.“
„Ich danke für den Hinweis“, sagte sie ernsthaft. „Ich werde ihm also während meines restlichen Aufenthalts in Wychwood geflissentlich aus dem Weg gehen müssen.“
„Dabei wünsche ich Ihnen Glück. Aber ich kenne Kester zu gut und würde deshalb nicht darauf wetten, dass Ihnen das gelingt.“
„Ich kann ihn unmöglich heiraten“, sagte sie.
„Das Wort ‚unmöglich‘ existiert nicht in Christopher Alstones Sprachschatz. Er lebt nach seinen eigenen Maßstäben“, sagte Mr. Shaw ernst. Sein steter Blick ließ jedes Lächeln vermissen.
„Ja, aber auch ich lebe nach meinen Maßstäben und einen Mann zu ehelichen, der es bald bereuen wird, diese Ehe eingegangen zu sein, entspricht nicht meiner Vorstellung von einem glücklichen Leben“, sagte sie, dann seufzte sie erleichtert auf, da der Tee endlich serviert wurde.
Das Gespräch verstummte während des gewohnten Rituals. Alsbald versteckte Miranda ihre unberührte Tasse hinter einigen Pflanzen und schlüpfte leise aus dem Zimmer. Da Kits adlergleicher Blick nun nicht mehr ständig auf mir ruht, kann ich mich im Haus endlich freier bewegen, redete sie sich ein, bemüht, seine schützende Fürsorge nicht zu vermissen, während sie die Treppen nach oben in ihr Zimmer ging.
Mit einigen Verrenkungen, für die sie Leah harsch zurechtgewiesen hätte, gelang es ihr, sich ihres Kleides zu entledigen. Erleichtert atmete sie auf. Sie bezweifelte, dass sie es noch einmal würde tragen können, ohne dabei an das feurige Funkeln in Kits Augen zu denken, als er sie darin erblickt hatte, und den frostigen Blick, mit dem er ihre letzte Weigerung aufgenommen hatte, ihn zu ehelichen. Sie entledigte sich ihrer Unterkleidung und streifte ihr Nachtgewand über. Alles, was sie brauchte, waren Ruhe und Frieden, und eine Nacht erholsamen Schlafs, dann würde sie sich mit ihrem einsamen Schicksal am nächsten Morgen schon abfinden.
Unglücklicherweise brachten weder die Stille im Zimmer noch die nur vom sanften Glühen des Feuers erhellte Dunkelheit ihre sich unablässig im Kreis drehenden Gedanken zur Ruhe. Die Vernunft sagte ihr, sie hatte das Richtige getan, dennoch taten ihr Herz und Seele weh, wenn sie daran dachte, dass Kit sie nie wieder mit dieser überwältigenden Aufmerksamkeit begehren würde.
Ungehalten über das bittere Bedauern, das sie verspürte, obwohl sie angesichts ihrer tiefen Liebe zu ihm nicht hätte anders handeln dürfen, setzte sie sich auf und suchte nach einem Buch. Zu ihrem Kummer fand sie jedoch keines.
Eine Weile zwang sie sich, ruhig im Bett liegen zu bleiben, indes wollte sich der Schlaf ob ihrer aufgewühlten Gefühle nicht einstellen. Wenn sie nicht Obacht gab, würde sie sich noch davon überzeugen, dass ihre Entscheidung, Kits Antrag abzulehnen, falsch gewesen war.
„Du bist alt genug, es besser zu wissen“, schalt sie sich, stand auf und streifte den Morgenmantel über. Auf leisen Sohlen, um
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