Goettlicher Thor 1
nicht verhindern.
„Na, turtelt ihr beiden schon wieder?“, fragte der riesige Bodybuilder neben ihm und grinste dabei wissend, weil jeder hier von Franceskos sexueller Neigung wusste. Vermutlich passten sie alle höllisch beim Duschen auf, um sich nicht vor ihm wegen der Seife zu bücken. Herrlich solch blöden Klischees! Im Kreise meiner Fitnesspartner war ich eben selbst in Gedanken ausgelassener als sonst. Die Männer hier verstanden alle Spaß, waren sehr bodenständig und natürlich. Zumindest natürlicher in ihrem Verhalten, als so manch affektierte Tussi (ob weiblicher oder männlicher Natur) in einem schicken Nobelfitnesscenter. Und an etwas unnatürlich viel Muskelmasse hatte ich mich mit der Zeit schon gewöhnt. Wobei mir vor allem Männer gefielen, die nicht ganz so wuchtig daher kamen. Ein bisschen überdurchschnittliches Volumen war schon wünschenswert, aber zu viel war, war nun einmal zu viel. Eines aber hatten fast alle gleich: Ein gutes Körpergefühl und eine perfekte Haltung. Wer sich so ausgiebig mit seinem Körper beschäftigte, wusste eben wie er sich zu bewegen hatte. Meistens zumindest.
„Hast du nicht irgendeinen von deinen Muskeln zu sprengen?“, ätzte Francesko, der offenbar nicht in der Stimmung für Späßchen unter der Gürtellinie war.
„Schon gut. Ich bin dann mal weiter vorne“, lachte Robert, der Riese, und ging mit frechem Augenzwinkern an mir vorbei zur Bizepsmaschine, wo er wieder mörderisch viele Kilos stemmen wollte. Wie viel genau wusste wohl keiner, aber das Donnern der Gewichte war immer durch die ganze Halle zu hören.
Muskulöse Männer, die schwitzten und manchmal ganz interessante Geräusche von sich gaben, waren an sich ein Anreiz immer wieder hierher zu kommen. Die Kraft des visuellen Tankens, während man für den eigenen Körper arbeitete, war nicht zu unterschätzen und jeder schaute mal rechts oder links, genoss den einen oder anderen Anblick. Ob Frau oder Mann war dabei gar nicht einmal so wichtig, denn ein schöner Körper war so oder so interessant. Vielmehr zählte die anzahlmäßige Ausgewogenheit zwischen Männlein und Weiblein, sowie der Altersgruppen oder dem körperlichen Status von perfect bis not perfect .
„Heute so brummig, Francesko? Ist dir etwas über die Leber gelaufen?“, fragte ich, weil mein Freund sonst immer eher einer von der heiteren Sorte war.
„Ein ... Freund ist gestern gestorben. Ein sehr guter Freund.“
„Oh!“ Ich fühlte mich gleich hundeelend. Ich scherzte wild und dachte an blöde Seifenorgien in Männerduschen und mein lieber Francesko machte gerade Furchtbares durch. Sofort setzte ich mich neben ihn und legte meinen Arm um seine Schultern. Gut, das andere Ende seines breiten Rückens erreichte ich kaum, weil er eben gut gebaut war, aber er verstand die Geste richtig. Jetzt konnte ich auch sehen, wie sehr er sich bemühte nicht zu weinen. „Du lieber Himmel! Was ist denn passiert?“
„Es war ein Auto und nicht etwa Aids.“ Er war in Trauer und wütend.
„Jetzt hör‘ schon auf! Ich hatte diese Vorurteile nie. Schon vergessen mit wem du hier redest? Darf ich vorstellen ... Siena. Und jetzt komm her und lass die trösten. So eine Scheiße aber auch.“ Es waren sicher nicht die besten Worte für einen Mann, der einen Freund verloren hatte, aber offenbar verstand er sie richtig und sie halfen ihm. Er seufzte schwer und begann tatsächlich zu weinen, beugte sich vornüber und versteckte sein Gesicht hinter den Handflächen. Automatisch verstärkte ich meinen Griff um seinen Körper und drückte schließlich sein Gesicht auf meine Schulter.
„Mein Gott, du Armer! Lass dich trösten und dann erzählst du mir ganz genau, was passiert ist.“ Seine Schultern bebten, und ich streichelte immer wieder sanft darüber, konnte aber nicht verhindern, dass ich ebenfalls zu heulen anfing. Echte Trauer eines anderen ging an mir nie spurlos vorbei. Zum Glück waren emotionale Ausbrüche in diesem Fitnesscenter kein Affront und mussten nicht unter den Teppich gekehrt werden. Tränen waren zwar auch hier ungewöhnlich, aber die meisten der Anwesenden waren reif genug und hatten schon eine Menge erlebt. Tränen waren schließlich niemandem fremd.
Nach ein paar Minuten hatte er sich beruhigt und bedankte sich mit einem herzergreifenden Seufzen bei mir.
„Danke. Das hat gut getan. Weißt du ... ich hatte bisher irgendwie nicht die Zeit in den Verlust hineinzugehen. Ich meine ... mich so richtig reinzuhängen, zu leiden,
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