Goettlicher Thor 1
haben.“
„Vor mir selber?“, keuchte ich und wischte in Gedanken die Krallen und Zähne beiseite, achtete darauf das dumpfe Gefühl der Schwärze zu übergehen.
„JA, vor dir selber. Es gibt DAS Böse nicht. Das was du spürst und siehst bist du. Es ist ein Teil von dir und es ist eigentlich neutral. Nimm es an! Finde es schön!“
„Schön?“, krächzte ich und zertrat in Gedanken gerade die matschige Zunge eines Zähne fletschenden Monsters. Fantasie konnte durchaus bescheuert ausarten. „Schön! Ja, klar“, spottete ich. „Und dabei habe ich gerade das Bedürfnis dem lieben netten Weihnachtsmann alle Haare vom Leib zu reißen. Auch am Sack.“
„Oh. Angst lässt dich derb werden. Schön.“
„Schön? Schon wieder?“ Ich keuchte immer noch und hatte nun zwei bescheuerte Bilder in meinem Kopf. Einen völlig enthaarten Weihnachtsmann mit Riesensäcken (nur nicht auf seinem Rücken) und ein halb zermatschtes Monster mit einer Flut von gerupften weißen Haaren vom heiligen Mann. Kathrin ergriff meine Hand.
„Siena! Du hast dich entschlossen es anzunehmen. Jetzt musst du aus der Angst heraus treten und sehen, was du mit dem Ding machen kannst. Wie heißt es so schön? Der Fürst der Finsternis, der immer das Böse will und doch stets das Gute erschafft?“
„Was, äh. Check ich grad nicht.“ Ich war verwirrt, aber auch abgelenkt, von dem dreisten Weihnachtsmann, der provokant lächelte und sich an seinen Riesendingern kratzte.
„Jetzt schalt einen Gang runter! Du bist immer gleich so aufgekratzt.“ Ich riss meine Augen auf, weil das Wort so treffend zu meiner Fantasie passte. Doch Kathrin wirkte ein wenig verärgert. „Vergiss diese Hirngespinste! Wir wollen, dass du mit deiner Kraft umgehen lernst und deine Möglichkeiten nicht wahllos verstreust. Also richte deine Visualisierungskraft gefälligst auf das Wesentliche! Schau nicht weg oder flüchte in abstruse Vorstellungen. Konzentriere dich auf das, was du mit der Dunkelheit machen kannst!“ Manchmal hatte ich wirklich den Eindruck, dass sie nicht nur sehr empathisch war, sondern Gedanken lesen konnte. Aber sie hatte ja Recht! Was nutzte es sich mich witzigen Bildern abzulenken, wenn es galt Monster zu beherrschen oder zu akzeptieren!
Ich seufzte laut und versuchte erst einmal Ordnung in mein inneres Chaos zu bringen. Dafür schickte ich den nackten (und kahlen) Weihnachtsmann gleich einmal zum Nordpol und widmete mich den dunklen Scheußlichkeiten, die Zähne bleckend nur darauf warteten mich zu verschlingen. Knarrende Wurzeln, windende Biester, heulende Monster. Was für ein Unsinn! Und wie beängstigend! Uralte Bilder kamen da hoch und noch ältere Zeichen und Symbole. All das spürte ich zwar mehr, als ich sah, aber es war mit Sicherheit real. So viel hatte ich schon gelernt.
Ich musste also in die Angst hinein und mit genug Vorstellungskraft war wirklich viel möglich. Nun denn ... schrie ich in Gedanken und straffte meine Schultern, reckte das Kinn. Meine Innenschau richtete sich auf das Unvermeidliche, fokussierte das Dunkle, stellte sich den Biestern und ... begann sie zu streicheln.
2. Kapitel
Mein bester Freund ist schwul und heißt Franz.
Allerdings durfte ich ihn bisher immer nur Francesko nennen. Nein, er ist nicht einfühlsamer als andere Männer und auch kein Friseur, sondern Automechaniker. Aber er ist ein guter Zuhörer, hat Verständnis für meine spirituellen Anwandlungen und zudem Muskeln zum Niederknien. Angefreundet haben wir uns im Fitnesscenter, wo ich mich mehr als drei Mal in der Woche schinde, um nie wieder so derart übergewichtig zu werden. Von den 15 Kilogramm Überschuss hatte ich mich zwar bereits im ersten Jahr verabschiedet, aber vom perfekten Body war ich noch weit entfernt. Zum Glück neige ich zu einem guten Muskelaufbau und kann in einem bestimmten Rahmen meinen Körper Formen und definieren. Wobei ich wirklich muskulöse Frauen nie sehr weiblich gefunden habe, ein gewisses Maß aber durchaus faszinierend fand.
„Ciao bella!“ Francesko konnte es nicht lassen, einen auf italienischen Macho zu machen.
„Hallo, Franz!“ Gut, ich konnte es dafür nicht lassen, ihn zu ärgern. Er schnaubte auch prompt frustriert.
„Bist du wohl still, du böses Mädchen“, zischt er und machte ein abwehrendes Teufelszeichen in meine Richtung. Was ich so blöd und witzig fand, dass ich ihm spontan ein Flugküsschen zuwarf. Er schmollte noch leicht wegen seines Namens, aber ein erstes Grinsen konnte er auch
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