Gold. Pirate Latitudes
blickte Hunter an. »Auch Ihr habt Eure Gründe.«
»Ja.« Hunter nickte.
»Aber ist es zu schaffen? Wahrhaftig?«
»Wahrhaftig, Don Diego.«
»Dann möchte ich den Plan hören«, sagte der Jude in heller Aufregung. »Und ich möchte wissen, was für Pulver Ihr benötigt.«
»Ich benötige eine Erfindung«, sagte Hunter. »Ihr müsst etwas herstellen, was es nicht gibt.«
Der Jude wischte sich Tränen aus den Augen. »Lasst hören«, sagte er. »Lasst hören.«
Mr Enders, seines Zeichens Bader und ein wahrer Künstler des Meeres, setzte den Blutegel vorsichtig an den Hals seines Patienten. Das Opfer, das zurückgelehnt im Stuhl saß, das Gesicht mit einem Handtuch bedeckt, stöhnte, als das nacktschneckenähnliche Geschöpf seine Haut berührte. Sogleich schwoll der Egel an mit Blut.
Mr Enders summte leise vor sich hin. »So«, sagte er. »In ein paar Minuten geht es Euch spürbar besser. Ich sage Euch, Ihr werdet wieder besser atmen können und auch bei den Ladys Eindruck machen.« Er tätschelte die Wange unter dem Handtuch. »Ich schnappe nur rasch ein bisschen frische Luft und bin gleich wieder da.«
Und schon eilte Mr Enders aus dem Laden. Er hatte nämlich vor dem Fenster Hunter bemerkt, der ihn nach draußen winkte. Mr Enders war ein kleiner Mann mit flinken, anmutigen Bewegungen. Wenn er ging, sah es fast so aus, als würde er tanzen. Er betrieb ein einigermaßen gut gehendes Geschäft in der Stadt, da viele Patienten seine Behandlungen überlebten, was manch anderer Bader nicht von sich behaupten konnte. Doch sein größtes Geschick und seine wahre Leidenschaft war das Steuern eines Segelschiffes. Enders, ein echter Künstler des Meeres, war eine Rarität, ein vollendeter Steuermann, dem es irgendwie gelang, zwischen sich und dem Schiff, das er lenkte, eine Verbindung herzustellen.
»Braucht Ihr eine Rasur, Captain?«, fragte er Hunter.
»Eine Mannschaft.«
»Dann habt Ihr Euren Bader gefunden«, sagte Enders. »Und was ist das Ziel der Fahrt?«
»Blutholz fällen«, sagte Hunter und grinste.
»Ich fälle Blutholz für mein Leben gern«, sagte Enders. »Und um wessen Blutholz mag es sich handeln?«
»Cazallas.«
Sogleich war Enders’ scherzhafte Stimmung verflogen. »Cazalla? Ihr wollt nach Matanceros?«
»Leise«, sagte Hunter eindringlich und blickte sich auf der Straße um.
»Captain, Captain, Selbstmord ist eine Sünde gegen Gott.«
»Ihr wisst, dass ich Euch brauche«, sagte Hunter.
»Aber das Leben ist süß, Captain.«
»Gold auch«, sagte Hunter.
Enders verstummte und runzelte die Stirn. Er wusste, genau wie der Jude, genau wie jeder in Port Royal, dass sich in der Festung von Matanceros kein Gold befand. »Wenn Ihr mir vielleicht erklären würdet?«
»Lieber nicht.«
»Wann segelt Ihr?«
»In zwei Tagen.«
»Und werde ich die Gründe in Bull Bay erfahren?«
»Ihr habt mein Wort.«
Enders streckte schweigend die Hand aus, und Hunter schüttelte sie. Aus dem Laden drang das Stöhnen des Patienten, der sich unbehaglich wand. »Oh Schreck, der arme Kerl«, sagte Enders und hastete zurück in den Raum. Der Egel war dick und fett mit Blut und ließ rote Tropfen auf den Holzboden fallen. Als Enders den Blutegel abnahm, schrie der Patient auf. »Na, na, immer mit der Ruhe, Euer Exzellenz.«
»Ihr seid ein verfluchter Pirat und Halunke«, sagte Sir James Almont, riss sich das Tuch vom Gesicht und betupfte damit den angebissenen Hals.
Lazue war in einem Bordell auf der Lime Road umringt von kichernden Frauen. Lazue kam aus Frankreich. Der Name war eine Verballhornung von Les Yeux, denn die Augen dieser Kämpfernatur waren groß und strahlend und legendär. Lazue konnte besser als sonst wer nachts im Dunkeln sehen. Schon häufig hatte Hunter seine Schiffe mit Lazue auf dem Vorderdeck durch Riffe und Untiefen gebracht. Außerdem konnte Lazue hervorragend schießen, war schlank und wendig wie eine Katze.
»Hunter«, knurrte Lazue, einen Arm um eine dralle Frau. »Hunter, her mit dir.« Die Frauen kicherten und spielten mit ihrem Haar.
»Ein Wort unter vier Augen, Lazue.«
»Du bist so langweilig«, sagte Lazue und gab den Frauen der Reihe nach einen Kuss. »Ich bin gleich wieder da, meine Süßen«, sagte Lazue und folgte Hunter in eine entlegene Ecke. Eine Frau brachte ihnen einen Krug Teufelstöter mit zwei Gläsern.
Hunter betrachtete Lazues schulterlanges, zerzaustes Haar und bartloses Gesicht. »Bist du betrunken, Lazue?«
»Nicht zu betrunken, Captain«, sagte
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