Gold. Pirate Latitudes
Lazue mit einem rauen Lachen. »Was hast du auf dem Herzen?«
»Ich steche in zwei Tagen in See.«
»Ja?« Lazue wirkte schlagartig nüchtern. Die großen, wachsamen Augen blickten Hunter eindringlich an. »Wohin soll’s gehen?«
»Matanceros.«
Lazue lachte, ein tiefes, grollendes Lachen. Es war ein seltsamer Klang für einen so schmächtigen Körper.
»Matanceros bedeutet Gemetzel, und der Name passt, nach dem, was ich so alles gehört habe.«
»Gleichwohl«, sagte Hunter.
»Du musst gute Gründe haben.«
»Hab ich auch.«
Lazue nickte, rechnete nicht damit, mehr zu erfahren. Ein kluger Kapitän gab über einen geplanten Angriff erst dann Einzelheiten preis, wenn das Schiff unterwegs war.
»Sind die Gründe so gut, wie die Gefahren groß?«
»Allerdings.«
Lazue betrachtete Hunter forschend. »Du willst eine Frau an Bord?«
»Deshalb bin ich hier.«
Lazue lachte wieder. Sie kratzte sich geistesabwesend die kleinen Brüste. Sie lebte und kämpfte wie ein Mann und kleidete sich auch so, doch sie war eine Frau.
Lazue war die Tochter der Frau eines bretonischen Seemanns. Ihr Mann war auf See, als die Frau feststellte, dass sie schwanger war, und schließlich einen Sohn zur Welt brachte. Ihr Mann kehrte jedoch nicht zurück – ja, es ward nie mehr von ihm gehört –, und einige Monate später war die Frau ein zweites Mal schwanger. Aus Furcht vor einem Skandal zog sie in ein anderes Dorf, wo sie eine Tochter gebar, Lazue.
Im Jahr darauf starb der Sohn. Der Mutter war unterdessen das Geld ausgegangen, weshalb sie sich gezwungen sah, in ihr Heimatdorf zurückzukehren, um bei ihren Eltern zu leben. Aus Angst vor Schmach kleidete sie ihre Tochter wie ihren Sohn, und das so täuschend echt, dass niemand im Dorf, einschließlich der Großeltern des Kindes, je misstrauisch wurden. Lazue wuchs als Junge auf und wurde mit dreizehn Kutscher bei einem Edelmann in der Gegend. Später ging sie zur französischen Armee und lebte etliche Jahre unter Soldaten, ohne dass ihr jemand auf die Schliche kam. Irgendwann – so zumindest erzählte sie die Geschichte – verliebte sie sich in einen stattlichen jungen Kavallerieoffizier, dem sie ihr Geheimnis offenbarte. Sie hatten fast ein Jahr lang eine leidenschaftliche Liaison, doch da er sie nicht heiraten wollte, beschloss sie schließlich, nach Westindien zu gehen, wo sie erneut in ihre maskuline Rolle schlüpfte.
In einer Stadt wie Port Royal ließ sich so ein Geheimnis nicht lange bewahren, und inzwischen wusste jeder, dass Lazue eine Frau war. Ohnehin machte sie es sich auf Kaperfahrten zur Gewohnheit, ihre Brüste zu entblößen, um den Feind zu verwirren und ihm einen Schrecken einzujagen. In der Stadt jedoch wurde sie wie ein Mann behandelt, und niemand nahm groß Anstoß daran.
Jetzt lachte Lazue. »Du bist verrückt, Hunter, ein Angriff auf Matanceros ist Wahnsinn.«
»Bist du dabei?«
Sie lachte wieder. »Nur weil ich nichts Besseres vorhabe.« Und sie ging zurück zu den kichernden Huren am hinteren Tisch.
In den frühen Morgenstunden stöberte Hunter den Mauren auf, in einem Glücksspielhaus namens The Yellow Scamp, wo er mit zwei holländischen Korsaren eine Partie Gleek spielte.
Der Maure, auch Bassa genannt, war ein Koloss von einem Mann mit einem riesigen Kopf, Muskelpaketen auf Schultern und Brust und mächtigen Händen, in denen sich die Spielkarten winzig ausnahmen. Die Gründe, warum er der Maure genannt wurde, waren längst vergessen, und selbst wenn er manchmal gern von seiner Herkunft erzählt hätte, er konnte es nicht, weil ein spanischer Plantagenbesitzer auf Hispaniola ihm die Zunge herausgeschnitten hatte. Allgemein herrschte Einigkeit darüber, dass der Maure gar nicht maurisch war, sondern aus einer afrikanischen Region namens Nubien stammte, einer am Nil gelegenen Wüstengegend, wo riesige schwarze Menschen lebten.
Bassa hieß er nach der gleichnamigen Hafenstadt an der Küste von Guinea, wo mitunter Sklavenschiffe anlegten, doch die Heimat des Mauren konnte dieses Land unmöglich sein, da die Menschen dort schwächlich waren und eine deutlich hellere Haut hatten.
Der imposante körperliche Eindruck, den Bassa machte, wurde noch dadurch verstärkt, dass er stumm war und sich nur durch Gesten verständlich machen konnte. Gelegentlich hielten Neuankömmlinge den Mauren, weil er stumm war, auch für dumm, und während Hunter jetzt das Kartenspiel beobachtete, beschlich ihn der Verdacht, dass die beiden Mitspieler denselben Fehler
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