Gold. Pirate Latitudes
Hunter.
»Keine Sorge«, sagte Hunter. »Es lohnt sich.«
Der Maure lächelte. Hunter ging.
Sanson fand er in einem Zimmer im ersten Stock vom Queens Arms. Hunter klopfte an die Tür und wartete. Er hörte ein Kichern und einen Seufzer, dann klopfte er erneut.
Eine verblüffend helle Stimme rief: »Verflixt und zugenäht, verschwinde.«
Hunter zögerte und klopfte noch einmal.
»Verdammt, wer ist denn da?«, rief die Stimme von drinnen.
»Hunter.«
»Ich fass es nicht. Herein mit Euch, Hunter.«
Hunter öffnete die Tür und ließ sie weit aufschwingen, trat aber nicht ein. Einen Augenblick später kam der Nachttopf samt Inhalt durch die offene Tür geflogen.
Hunter hörte ein leises Lachen aus dem Zimmer. »Auf der Hut wie eh und je, Hunter. Ihr werdet uns alle überleben. Tretet ein.«
Hunter betrat den Raum. Im Licht einer einzelnen Kerze sah er Sanson neben einer blonden Frau aufrecht im Bett sitzen. »Ihr habt uns gestört, mein Sohn«, sagte Sanson. »Beten wir, dass Ihr einen guten Grund habt.«
»Den habe ich«, erwiderte Hunter.
Ein Augenblick lang herrschte betretenes Schweigen, während die beiden Männer einander ansahen. Sanson kratzte sich den dichten schwarzen Bart. »Soll ich den Grund für Euer Erscheinen erraten?«
»Nein«, sagte Hunter und warf einen Blick auf die Frau.
»Ah«, sagte Sanson. Er wandte sich der Frau zu. »Mein köstlicher Pfirsich …« Er küsste ihre Fingerspitzen und deutete mit der Hand durchs Zimmer.
Die Frau krabbelte unverzüglich nackt aus dem Bett, schnappte sich hastig ihre Sachen und verschwand zur Tür hinaus.
»Was für ein entzückendes Geschöpf«, sagte Sanson.
Hunter schloss die Tür.
»Sie ist Französin, müsst Ihr wissen«, sagte Sanson. »Französinnen geben die besten Liebhaberinnen ab, findet Ihr nicht auch?«
»Auf jeden Fall die besten Huren.«
Sanson lachte. Er war ein großer, massiger Mann, der grüblerisch und finster wirkte – dunkles Haar, dunkle Brauen, die sich über der Nase trafen, dunkler Bart, dunkle Haut. Aber seine Stimme war erstaunlich hoch, besonders wenn er lachte. »Kann ich Euch nicht das Zugeständnis entlocken, dass Französinnen besser sind als Engländerinnen?«
»Nur im Verbreiten von Krankheiten.«
Sanson lachte herzhaft. »Hunter, Ihr habt einen höchst ungewöhnlichen Humor. Trinkt Ihr ein Glas Wein mit mir?«
»Mit Vergnügen.«
Sanson schenkte ihm aus der Flasche ein, die auf dem Nachttisch stand. Hunter nahm das Glas und hob es, um ihm zuzuprosten. »Auf Euer Wohl.«
»Und auf das Eure«, sagte Sanson, und sie tranken. Keiner der beiden ließ den anderen aus den Augen.
Was Hunter betraf, so traute er Sanson schlechterdings nicht über den Weg. Eigentlich wollte er Sanson lieber nicht mitnehmen, doch der Franzose war unerlässlich für den Erfolg des Unternehmens. Denn Sanson war trotz seines Hochmuts, seiner Aufgeblasenheit und Wichtigtuerei der skrupelloseste Killer in der ganzen Karibik. Er stammte sogar aus einer Familie von französischen Henkern.
Ja, selbst sein Name – Sanson, »ohne Laut« – war ein ironischer Verweis auf seine verstohlene Arbeitsweise. Er war allenthalben bekannt und gefürchtet. Sein Vater, Charles Sanson, war angeblich königlicher Henker in Dieppe. Es wurde gemunkelt, dass Sanson selbst kurze Zeit Priester in Liège gewesen war, bis es aufgrund seiner Zudringlichkeiten gegenüber den Nonnen eines nahe gelegenen Klosters ratsam für ihn wurde, das Land zu verlassen.
Doch Port Royal war keine Stadt, wo man der Vergangenheit ihrer Bewohner große Beachtung schenkte. Hier war Sanson bekannt für sein Geschick im Umgang mit dem Säbel, der Pistole und seiner Lieblingswaffe, der Armbrust.
Sanson lachte wieder. »Nun, mein Sohn. Erzählt, was Ihr auf dem Herzen habt.«
»Ich steche in zwei Tagen in See. Nach Matanceros.«
Sanson lachte nicht mehr. »Ich soll mit Euch nach Matanceros kommen?«
»Ja.«
Sanson schenkte Wein nach. »Ich will nicht dahin«, sagte er. »Kein Mensch, der halbwegs bei Trost ist, will nach Matanceros. Warum wollt Ihr nach Matanceros?«
Hunter antwortete nicht.
Sanson blickte finster auf seine Füße am Ende des Bettes. Er wackelte mit den Zehen, runzelte die Stirn. »Ihr wollt wegen der Galeonen dort hin«, sagte er schließlich. »Die Galeonen, die im Sturm von der Flotte abgetrieben wurden, haben es nach Matanceros geschafft. Hab ich recht?«
Hunter zuckte die Achseln.
»Vorsichtig, vorsichtig«, sagte Sanson. »Nun denn, was bietet
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