Gold. Pirate Latitudes
rasch. Seine Augen waren schwach und rosa wie bei einem Kaninchen. Fast unaufhörlich quollen Tränen daraus hervor, die er ab und zu wegwischte. Sein rechtes Auge hatte dicht neben der Pupille einen großen schwarzen Punkt – dem er seinen Spitznamen verdankte. »Aber das musstet Ihr nicht erst von mir hören, Hunter.«
»Nein, Don Diego.«
Der Jude nickte und stand von der Werkbank auf. Er durchquerte den schmalen Laden und schloss die Tür zur Straße. Dann klappte er die Fensterläden zu und drehte sich wieder zu Hunter um. »Also?«
»Wie steht es um Eure Gesundheit, Don Diego?«
»Meine Gesundheit, meine Gesundheit«, sagte Don Diego und schob die Hände tief in die Taschen seines weiten Gewandes. Er war empfindlich, was seine Versehrte linke Hand betraf. »Meine Gesundheit ist wie immer mäßig. Aber auch das musstet Ihr nicht erst von mir hören.«
»Läuft das Geschäft gut?«, fragte Hunter, während er sich im Laden umsah. Auf groben Tischen war Goldschmuck ausgelegt. Der Jude betrieb den Laden seit nunmehr zwei Jahren.
Don Diego setzte sich. Er blickte Hunter an, strich sich den Bart und wischte neue Tränen weg. »Hunter«, sagte er, »Ihr seid eine Nervensäge. Rückt endlich heraus mit der Sprache.«
»Ich hab mich gefragt«, sagte Hunter, »ob Ihr noch mit Pulver arbeitet.«
»Pulver? Pulver?« Der Jude starrte stirnrunzelnd ins Leere, als würde er die Bedeutung des Wortes nicht kennen. »Nein«, sagte er. »Ich arbeite nicht mit Pulver. Seit dem hier« – er deutete auf sein geschwärztes Auge – »und dem hier« – er hob seine fast fingerlose linke Hand – »arbeite ich nicht mehr mit Pulver.«
»Lässt sich dieser Entschluss ändern?«
»Niemals.«
»Niemals ist eine lange Zeit.«
»Wenn ich niemals sage, meine ich niemals, ohne Ausnahme, Hunter.«
»Nicht mal für einen Angriff auf Cazalla?«
Der Jude schnaufte. »Cazalla«, sagte er gewichtig. »Cazalla ist in Matanceros und kann nicht angegriffen werden.«
»Ich werde ihn angreifen«, sagte Hunter leise.
»Das hat Captain Edmunds auch getan, letztes Jahr.« Don Diego verzog das Gesicht bei der Erinnerung. Er hatte die Expedition als einer der Geldgeber unterstützt. Seine Investition – fünfzig Pfund – hatte er verloren. »Matanceros ist unangreifbar, Hunter. Lasst Euch durch Eitelkeit nicht den Verstand vernebeln. Die Festung ist uneinnehmbar.« Er wischte sich die Tränen von der Wange. »Außerdem ist da nichts zu holen.«
»In der Festung nicht«, sagte Hunter. »Aber im Hafen!«
»Im Hafen? Im Hafen?« Black Eye starrte wieder ins Leere. »Was gibt’s denn im Hafen? Ah. Das können nur die Naos sein, die im Auguststurm von der Schatzflotte getrennt worden sind, ja?«
»Eine davon.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Ich weiß es.«
»Eine Nao?« Der Jude blinzelte noch schneller. Er kratzte sich die Nase mit dem Zeigefinger seiner Versehrten linken Hand – ein sicheres Zeichen, dass er in Gedanken war. »Die ist wahrscheinlich voll mit Tabak und Zimt«, sagte er düster.
»Die ist wahrscheinlich voll mit Gold und Perlen«, sagte Hunter. »Ansonsten wäre sie schnurstracks allein weiter nach Spanien gefahren, auch auf die Gefahr hin, gekapert zu werden. Sie hat nur deshalb Matanceros angesteuert, weil sie eine kostbare Ladung an Bord hat und nicht riskieren will, Freibeutern in die Hände zu fallen.«
»Mag sein, mag sein …«
Hunter beobachtete den Juden scharf. Der Jude war ein großartiger Schauspieler.
»Nehmen wir an, Ihr habt recht«, sagte er schließlich. »Die Sache interessiert mich trotzdem nicht. Eine Nao im Hafen von Matanceros ist so sicher, als wäre sie in Cadiz vertäut. Die Festung schützt sie und die Festung ist uneinnehmbar.«
»Stimmt«, sagte Hunter. »Aber die Kanonen, die den Hafen sichern, können zerstört werden – falls Ihr bei guter Gesundheit seid und falls Ihr noch einmal mit Pulver arbeiten würdet.«
»Ihr wollt mir schmeicheln.«
»Ganz gewiss nicht.«
»Was hat meine Gesundheit damit zu tun?«
»Mein Plan«, sagte Hunter, »hat seine Tücken.«
Don Diego blickte finster. »Soll das heißen, ich muss mitkommen?«
»Natürlich. Was dachtet Ihr denn?«
»Ich dachte, Ihr wollt Geld. Ich soll mitkommen?«
»Das ist unerlässlich, Don Diego.«
Der Jude stand abrupt auf. »Um Cazalla anzugreifen«, sagte er plötzlich aufgeregt. Er begann, auf und ab zu schreiten.
»Ich träume jede Nacht von seinem Tod, seit zehn Jahren, Hunter. Ich träume …« Er blieb stehen und
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