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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Nationalität des näher kommenden Schiffes nicht zu erkennen, aber sie befanden sich eindeutig in spanischen Gewässern. Er ließ den Blick ringsum über den Horizont schweifen. Inagua lag weit hinter ihnen; die Fahrt dorthin würde fünf Stunden dauern, und die Insel bot nur wenig Schutz. Les Caїques im Norden waren verlockend, aber der Wind blies aus Nordosten, und sie müssten zu hart am Wind segeln, um schnell voranzukommen. Die Turksinseln im Osten waren noch immer nicht in Sicht – und aus dieser Richtung näherten sich die Segel.
    Er musste eine Entscheidung fällen, und keine der Auswahlmöglichkeiten war verheißungsvoll. »Kursänderung«, sagte er schließlich. »Auf nach Les Caїques.«
    Enders biss sich auf die Lippe und nickte. »Klar zum Wenden!«, rief er, und die Mannschaft sprang an die Fallen. Die Cassandra wendete durch den Wind und nahm Kurs nach Norden.
    »Jetzt mal los«, sagte Hunter, der die Segel beobachtete. »Legt Geschwindigkeit zu.«
    »Aye, Captain«, sagte Enders. Der Meereskünstler blickte bekümmert, und das mit gutem Grund, denn die Segel am Horizont waren inzwischen mit bloßem Augen deutlich zu erkennen. Das andere Schiff holte auf. Die Bramsegel hatten den Horizont passiert, und die Focksegel kamen in Sicht.
    Mit dem Fernrohr am Auge erkannte Hunter drei Bramsegel, und ein Dreimaster bedeutete ganz sicher ein Kriegsschiff irgendeiner Nation.
    »Mist!«
    Noch während er das Schiff beobachtete, verschmolzen die drei Segel zu einem Quadrat, um sich ein weiteres Mal zu trennen.
    »Sie hat gehalst«, sagte Hunter. »Ist jetzt auf Raumschotskurs.«
    Enders Füße vollführten einen kleinen nervösen Tanz, während seine Hand die Pinne gepackt hielt. »Auf dem Kurs entkommen wir ihr nicht, Captain.«
    »Auch auf keinem anderen Kurs«, sagte Hunter finster. »Betet um eine Flaute.«
    Das andere Schiff war keine fünf Meilen mehr entfernt. Bei stetigem Wind würde es die Cassandra unaufhaltsam einholen. Jetzt blieb ihnen nur noch die Hoffnung, dass der Wind abflaute, denn dann würde die Cassandra mit ihrem leichteren Gewicht davonziehen.
    Manchmal kam es vor, dass sich der Wind gegen Sonnenuntergang legte, doch ebenso häufig frischte er auch auf. Und schon bald spürte Hunter die Brise stärker an den Wangen.
    »Heute ist nicht unser Glückstag«, sagte Enders.
    Inzwischen konnten sie die Großsegel des Verfolgerschiffes sehen, rosa in der untergehenden Sonne und vom aufgefrischten Wind voll aufgebläht.
    Les Caїques lagen noch in unerträglich weiter Ferne, ein Zufluchtsort, der für sie unerreichbar war.
    »Sollen wir wenden und vor dem Wind segeln, Captain?«, fragte Enders.
    Hunter schüttelte den Kopf. Die Cassandra wäre vor dem Wind schneller, aber das würde das Unvermeidliche nur hinausschieben. Zur Tatenlosigkeit verdammt, ballte Hunter in ohnmächtiger Wut die Fäuste und sah zu, wie die Segel des Verfolgerschiffes größer wurden. Jetzt konnten sie schon den Rand des Rumpfes sehen.
    »Ein Kriegsschiff, ganz klar«, sagte Enders. »Ich kann den Bug erkennen.«
    Die Form des Bugs verriet am ehesten, zu welchem Land ein Schiff gehörte. Spanische Kriegsschiffe hatten in der Regel einen stumpferen Bug als englische oder holländische Schiffe.
    Sanson kam nach hinten zur Ruderpinne. »Wollt Ihr kämpfen?«, sagte er.
    Als Antwort deutete Hunter bloß auf das Schiff, dessen Rumpf jetzt nicht mehr nur am Horizont zu sehen war. Es maß über hundertdreißig Fuß in Höhe der Wasserlinie und war mit zwei Kanonendecks ausgestattet. Die Geschützscharten waren geöffnet und die stumpfen Kanonenmündungen ragten heraus. Hunter machte sich nicht die Mühe, sie zu zählen. Allein auf der Steuerbordseite, die er sehen konnte, waren es mindestens zwanzig, vielleicht dreißig.
    »Sieht für mich spanisch aus«, sagte Sanson.
    »Für mich auch«, pflichtete Hunter bei.
    »Werdet Ihr kämpfen?«
    »Dagegen?«, fragte Hunter. Noch während er sprach, drehte das Kriegsschiff bei und feuerte eine erste Breitseite auf die Cassandra. Die Kanonen waren noch zu weit entfernt und die Kugeln platschten harmlos vor der Backbordseite ins Wasser, aber die Warnung war unmissverständlich. Noch weitere tausend Yards, und das Kriegsschiff wäre in Reichweite.
    Hunter seufzte. »In den Wind drehen«, sagte er leise.
    »Verzeihung, Captain?«, sagte Enders.
    »Ich sagte, in den Wind drehen und alle Fallen lösen.«
    »Aye, Captain«, sagte Enders.
    Sanson funkelte Hunter an und stapfte wieder nach vorne.

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