Gold. Pirate Latitudes
hallte eine Explosion übers Wasser.
Und dann verschwand das Kriegsschiff in einem riesigen Flammenball, als der Pulverraum in die Luft flog. Es gab eine donnernde Detonation, so gewaltig, dass die El Trinidad von der Wucht durchgeschüttelt wurde. Dann folgten eine zweite und eine dritte Detonation, und das Kriegsschiff löste sich binnen Sekunden vor ihren Augen auf. Hunter sah nur bruchstückhafte Bilder der Zerstörung – die umstürzenden Masten; die Kanonen, die von unsichtbaren Händen durch die Luft geschleudert wurden; das ganze Schiffsgerüst, das in sich selbst zusammenfiel, ehe es in alle Richtungen zersprengt wurde.
Irgendetwas prallte über ihm gegen den Hauptmast und fiel ihm auf den Kopf. Es rutschte ihm auf die Schulter und aufs Deck. Er vermutete einen Vogel, doch als er nach unten blickte, sah er, dass es eine abgetrennte menschliche Hand war. An einem Finger steckte ein Ring.
»Großer Gott«, flüsterte er, und als er wieder zu dem Kriegsschiff sah, bot sich ihm ein ebenso erstaunlicher Anblick.
Das Schiff war verschwunden.
Buchstäblich verschwunden: Eben noch war es da gewesen, verzehrt von lodernden Flammen und heißen Explosionsbällen, aber noch da. Jetzt war es verschwunden. Brennende Trümmer, Segel und Balken trieben auf dem Wasser, dazwischen die Leichen von Seeleuten. Und er hörte die Schreie und Rufe der Überlebenden. Doch das Kriegsschiff war verschwunden.
Rings um ihn herum lachten und sprangen seine Männer vor ausgelassener Freude. Hunter konnte nur auf das Wasser starren, wo das Kriegsschiff gewesen war. Inmitten der brennenden Wrackteile fiel sein Blick auf einen Körper, der bäuchlings im Wasser trieb. Es war der Körper eines spanischen Offiziers, wie Hunter an der blauen Uniform erkannte. Die Hose des Mannes war bei den Explosionen zerfetzt worden, und sein nacktes Hinterteil war dem Blick preisgegeben. Hunter starrte auf das nackte Fleisch, fasziniert, dass der Rücken unversehrt geblieben war, die Kleidung darunter aber weggerissen. Der Leichnam schaukelte in den Wellen, und auf einmal sah Hunter, dass der Kopf fehlte.
An Bord seines eigenen Schiffes merkte er undeutlich, dass die Besatzung nicht mehr jubelte. Sie waren alle verstummt und sahen ihn an. Er ließ den Blick über ihre müden, verdreckten, blutigen Gesichter schweifen, sah ihre ausgelaugten und vor Erschöpfung leeren Augen, die dennoch seltsam erwartungsvoll waren.
Sie blickten ihn an und schienen darauf zu warten, dass er irgendetwas tat. Einen Augenblick lang konnte er sich nicht vorstellen, was sie von ihm wollten. Und dann spürte er etwas auf den Wangen.
Regen.
KAPITEL 31
Der Hurrikan schlug mit aller Macht zu. Binnen Minuten kreischte der Wind mit mehr als vierzig Knoten durch die Takelage und peitschte mit prasselndem Regen schmerzhaft auf sie ein. Die See war noch rauer, mit fünfzehn Fuß hohen Wellen, Wasserberge, die das Schiff wie verrückt auf und ab warfen. Vom Kamm einer Woge hoch in der Luft stürzten sie Sekunden später wieder magenverdrehend tief in ein Wellental, in dem sich das Wasser bedrohlich hoch ringsherum auftürmte.
Und alle an Bord wussten: Das war erst der Anfang. Der Wind und der Regen und die See würden noch viel schlimmer werden, und der Sturm würde Stunden, vielleicht Tage wüten.
Mit einer Tatkraft, die die Erschöpfung der Mannschaft Lügen strafte, machten sie sich an die Arbeit. Sie räumten die Trümmer vom Deck und refften zerrissene Segel; sie hievten im Wasser schwimmende Segel an Bord und stopften die Lecks. Sie arbeiteten schweigend auf den rutschigen, wankenden nassen Decks, und jeder von ihnen wusste, wie schnell er über Bord gefegt werden konnte, ohne dass es irgendwer mitbekäme.
Doch die erste – und härteste – Aufgabe war es, das Schiff wieder richtig zu trimmen, indem sie die Kanonen zurück auf die Steuerbordseite schafften. Das war schon bei ruhiger See und trockenen Planken eine Strapaze. Bei Sturm, während ständig Wasser über die Bordwand schwappte, das Deck sich immer wieder um fünfundvierzig Grad neigte und die Holzplanken und Taue klatschnass und glitschig waren, war es schlechterdings unmöglich und ein Albtraum. Dennoch blieb ihnen nichts anderes übrig, wenn sie überleben wollten.
Hunter leitete die Arbeiten, immer nur eine Kanone auf einmal. Es ging darum, die richtige Neigung des Decks vorauszuahnen und die Schwerkraft auszunutzen, während die Männer sich mit den Fünftausend-Pfund-Lasten abplagten.
Sie verloren die
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