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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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wir keine Ruhe.« Er seufzte. »Ich wünschte, wir könnten die Sonne sehen, zur Orientierung.«
    Die Boca del Dragon – das Drachenmaul – war der Meeresstreifen zwischen den karibischen Inseln unter dem Wind und der Küste Südamerikas. Die Gewässer dort waren berüchtigt und gefürchtet, obwohl sie im Augenblick einigermaßen friedlich wirkten.
    Trotz der ruhigen See schlingerte und schwankte die El Trinidad wie ein Betrunkener. Dennoch gelang es ihnen mit zerfetzten Segeln, die Südspitze der Inseln zu umrunden und am westlichen Ufer eine recht gute Bucht anzusteuern. Sie lag geschützt und hatte einen sandigen Grund, der zum Kielholen geeignet war. Hunter ließ das Schiff festmachen, und seine erschöpfte Besatzung ging an Land, um sich auszuruhen.
    Von Sanson und der Cassandra fehlte jede Spur. Ob sie den Sturm überstanden hatten, war Hunters zu Tode erschöpften Männern im Augenblick gleichgültig. Sie lagen lang ausgestreckt in ihren nassen Sachen am Strand und schliefen, die Gesichter im Sand, die Körper reglos wie Leichen. Die Sonne lugte kurz hinter dünnen Wolken hervor. Hunter spürte, wie auch ihn die Müdigkeit überwältigte, und schlief ebenfalls ein.
    Die nächsten drei Tage waren sonnig. Die El Trinidad wurde kielgeholt, und die Besatzung reparierte die Schäden unterhalb der Wasserlinie sowie die Spieren der zerstörten Aufbauten. Eine Durchsuchung des Schiffs ergab, dass kein Holz an Bord war. Für gewöhnlich führte eine Galeone von dieser Größe zusätzliche Spieren und Masten im Frachtraum mit, doch die Spanier hatten offenbar darauf verzichtet, um mehr Platz für die Ladung zu haben. Hunters Männer mussten sich also so irgendwie behelfen.
    Enders richtete sein Astrolabium auf die Sonne und ortete ihre Breite bei vierzig Grad – sehr weit südlich. Sie waren nicht weit von den spanischen Stützpunkten Cartagena und Maracaibo an der südamerikanischen Küste entfernt. Doch davon abgesehen wussten sie absolut nichts über ihre Insel, die sie No Name Cay tauften.
    Hunter spürte die besondere Verwundbarkeit eines Captains, als die El Trinidad seeuntüchtig auf der Seite lag. Würden sie jetzt angegriffen, wären sie praktisch hilflos. Doch er hatte keinen Grund, irgendetwas zu befürchten; die Insel war offenbar unbewohnt, und das Gleiche galt für die zwei kleinen Nachbarinseln im Süden.
    Dennoch lag auf No Name etwas Ungastliches, geradezu Feindseliges in der Luft. Der Boden war dürr und von Kakteen überwuchert, die stellenweise dicht wie ein Wald standen. Leuchtend bunte Vögel krakeelten im Gestrüpp, ihre Schreie vom Wind getragen. Der Wind wehte unaufhörlich; es war ein heißer, unangenehmer Wind, der mit fast zehn Knoten tagaus, tagein blies und nur in der Morgendämmerung kurz abflaute. Die Männer gewöhnten sich daran, mit dem Heulen des Windes in den Ohren zu arbeiten und zu schlafen.
    Irgendetwas an der Insel veranlasste Hunter, rings um das Schiff und die verstreuten Lagerfeuer seiner Leute Wachen zu postieren. Er redete sich ein, die Maßnahme wäre erforderlich, um unter den Männern wieder Disziplin herzustellen, doch der eigentliche Grund war eine böse Vorahnung. Am vierten Abend, beim Essen, teilte er die Nachtwachen ein. Enders sollte die erste Wache übernehmen; er selbst die zweite ab Mitternacht, um sich dann von Bellows ablösen zu lassen. Er schickte einen Mann los, um Enders und Bellows zu verständigen. Eine Stunde später kam der Mann zurück.
    »Tut mir leid, Captain«, sagte er. »Ich kann Bellows nicht finden.«
    »Was soll das heißen, nicht finden?«
    »Er ist nirgends zu finden, Captain.«
    Hunter ließ den Blick über das Unterholz am Ufer schweifen. »Der hat sich irgendwo zum Schlafen hingelegt«, sagte er. »Sucht die Bucht ab und bringt ihn her. Der kann was erleben.«
    »Aye, Captain«, sagte der Mann.
    Doch Bellows blieb spurlos verschwunden. Als die Dunkelheit zunahm, blies Hunter die Suche ab und versammelte alle seine Leute um die Feuer. Er zählte vierunddreißig, einschließlich der spanischen Gefangenen und Lady Sarah. Er wies sie an, nah bei den Feuern zu bleiben, und bestimmte einen anderen Mann, der Bellows’ Wache übernehmen würde.
    Die Nacht verlief ohne Zwischenfall.
     
    Am nächsten Morgen machte Hunter sich mit einigen seiner Leute auf die Suche nach Holz. Da auf No Name keines zu finden war, setzte er mit zehn bewaffneten Männern zu der nächstgelegenen Insel im Süden über. Dieses Eiland hatte, wenigstens aus der

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