Gold. Pirate Latitudes
in den Armen eine kostbare Ladung.
»Sind sie nass geworden?«, flüsterte Hunter.
»Ich glaube nicht«, sagte Don Diego. »Ich hab aufgepasst.« Er blinzelte mit seinen schwachen Augen. »Ich kann nicht viel sehen.«
»Folgt mir«, sagte Hunter. Er führte seine Leute ins Innere der Insel. Hinter ihm am Strand sprangen die bewaffneten Besatzungen aus den anderen beiden Beibooten. Die Männer verschwanden still und leise zwischen den Kakteen am Ufer. Die Nacht war mondlos und sehr dunkel. Bald waren sie alle ein gutes Stück ins Inselinnere vorgedrungen, kamen den Feuern und den Trommelschlägen immer näher.
Das Karibendorf war größer, als er erwartet hatte: Ein Dutzend Lehmhütten mit Grasdächern standen im Halbkreis um etliche lodernde Feuer. Hier tanzten und heulten die Krieger. Ihre grellrot bemalten Körper warfen lange, flackernde Schatten. Einige trugen Krokodilhäute über den Köpfen, andere reckten Menschenschädel in die Luft. Alle waren nackt. Sie gaben einen schaurigen, eintönigen Singsang von sich.
Der Anlass für ihren Tanz war über dem Feuer zu sehen. Auf einem Rost aus grünen Holzstöcken lag der armlose, beinlose, ausgeweidete Rumpf eines Seemannes. Auf einer Seite war eine Gruppe Frauen damit beschäftigt, die Gedärme des Mannes zu reinigen.
Hunter konnte Lady Sarah nirgends entdecken. Dann deutete der Maure in eine Richtung, und er sah sie vor einer Hütte auf dem Boden liegen. Ihre Haare waren mit Blut verfilzt. Sie rührte sich nicht. Wahrscheinlich war sie tot.
Hunter schaute seine Männer an. In ihren Gesichtern spiegelte sich Entsetzen und Wut. Er flüsterte Lazue ein paar Worte zu, dann robbte er mit Bassa und Don Diego außen um das Dorf herum.
Die drei Männer schlichen sich mit gezückten Messern in eine Hütte. Die Hütte war leer. Schädel hingen von der Decke, stießen klackernd im Wind zusammen, der durchs Dorf blies. In einer Ecke stand ein Korb mit Knochen.
Hunter achtete nicht weiter darauf. »Schnell«, sagte er.
Don Diego legte seine grenadoe in der Mitte der Hütte auf die Erde und zündete die Lunte an. Die drei Männer huschten nach draußen, in eine entlegene Ecke des Dorfes. Dort zündete Don Diego die Lunte einer zweiten grenadoe an, und sie warteten.
Die erste grenadoe explodierte mit durchschlagender Wirkung. Die Hütte wurde in tausend Stücke gesprengt, und die fassungslosen krebsroten Krieger heulten vor Entsetzen auf. Don Diego warf die zweite grenadoe mitten ins Feuer, wo sie Augenblicke später explodierte. Die Krieger kreischten, als sie von umherfliegenden Metall- und Glassplittern getroffen wurden.
Gleichzeitig eröffneten Hunters Leute aus dem Unterholz das Feuer.
Hunter und der Maure schlichen zu der reglosen Lady Sarah Almont, hoben sie auf und verschwanden mit ihr im Gebüsch. Ringsherum schrien, heulten und starben die Kariben. Die Grasdächer der Hütten fingen Feuer. Das Letzte, was Hunter von dem Dorf sah, war ein flammendes Inferno.
Ihr Rückzug war hastig und planlos. Bassa, mit seinen ungeheuren Kräften, trug die Engländerin mühelos. Plötzlich gab sie ein Stöhnen von sich.
»Sie lebt«, sagte Hunter.
Sie stöhnte erneut.
Im schnellen Trab erreichten die Männer ihre Boote am Strand. Sie konnten ohne weitere Vorkommnisse von der Insel fliehen.
Im Morgengrauen waren sie alle wieder sicher auf dem Schiff. Enders, der Meereskünstler, ließ sich bei der Arbeit an der Galeone von Hunter ablösen, um die verletzte Frau zu verarzten. Am frühen Vormittag konnte er Bericht erstatten.
»Sie wird’s überleben«, sagte er. »Hat einen bösen Schlag auf den Kopf bekommen, ist aber nicht so schlimm.« Er ließ den Blick über die El Trinidad gleiten. »Ich wünschte, dem Schiff würd’s ebenso gut gehen.«
Hunter hatte versucht, die Galeone klar zum Auslaufen zu machen. Doch es gab nach wie vor viel zu tun: Der Hauptmast war noch schwach, der Mastkorb fehlte und unter der Wasserlinie klaffte nach wie vor ein großes Loch. Um Holz zum Ausbessern zu haben, hatten sie von einem großen Teil des Decks die Planken abgerissen, und bald würden sie sich beim unteren Kanonendeck bedienen müssen. Sie kamen langsam voran.
»Vor morgen früh kommen wir hier nicht weg«, sagte er.
»Mir graut vor der Nacht«, sagte Enders, der den Blick über die Insel schweifen ließ. »Im Augenblick ist ja alles friedlich. Aber ich bin nicht scharf darauf, die Nacht hier zu verbringen.«
»Ich auch nicht«, sagte Hunter.
Sie arbeiteten die ganze Nacht
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