Gold. Pirate Latitudes
durch. In ihrer angsterfüllten Hast, das Schiff wieder flottzumachen, verzichteten die erschöpften Männer auf Schlaf. Hunter stellte eine ganze Reihe von Wachen auf, was die Arbeit verlangsamte, doch so war ihm wohler zumute.
Um Mitternacht setzten die Trommelschläge wieder ein und währten gut eine Stunde. Dann trat eine unheimliche Stille ein.
Die Männer waren zermürbt. Sie wollten nicht arbeiten, und Hunter musste sie antreiben. Kurz vor Tagesanbruch stand er gerade neben einem Seemann und half ihm, eine Planke festzuhalten, als der Mann sich mit der Hand klatschend an den Hals schlug.
»Verdammte Moskitos«, sagte er.
Und dann brach er mit einem sonderbaren Ausdruck im Gesicht zusammen, hustete einmal und starb.
Hunter beugte sich über ihn. Er untersuchte den Hals und sah nur einen Nadelstich, mit einem einzigen Tropfen Blut. Dennoch war der Mann tot.
Von irgendwo in Bugnähe hörte er einen Schrei, und ein weiterer Mann fiel tot in den Sand. Die Besatzung war völlig verwirrt. Die Wachen kamen zurück zum Schiff gerannt, und Männer, die am Schiff gearbeitet hatten, gingen dahinter in Deckung.
Hunter starrte wieder auf den Mann zu seinen Füßen. Dann sah er etwas in der Hand des Toten. Es war ein winziger, gefiederter Pfeil mit einer Nadelspitze.
Giftpfeile.
»Sie kommen«, riefen die Beobachtungsposten. Die Männer drängten sich hinter Holzbretter und Trümmerteile, hinter alles, was irgendwie Schutz bot. Sie warteten angespannt, doch nichts geschah. In den Büschen und Kakteen am Ufer blieb alles ruhig.
Enders kam zu Hunter herübergehuscht. »Sollen wir weiterarbeiten?«
»Wie viele haben wir verloren?«
»Peters, Sir.« Enders blickte nach unten. »Und Maxwell.«
Hunter schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht noch mehr verlieren.« Seine Besatzung war auf dreißig geschrumpft. »Wir warten bis zur Dämmerung.«
»Ich geb den Leuten Bescheid«, sagte Enders und kroch weg. Im selben Augenblick ertönte ein schrilles Heulen, und dann machte es Klatsch! Ein kleiner gefiederter Pfeil hatte sich neben Hunters Ohr ins Holz gebohrt. Er zog den Kopf ein und wartete.
Bis zum Anbruch der Dämmerung blieb alles ruhig, doch dann kamen die rot bemalten Männer mit einem schauerlichen Geheul aus den Büschen auf den Strand gestürmt. Hunters Leute empfingen sie mit einer Musketensalve. Ein Dutzend von den Wilden fielen um, die Übrigen suchten schleunigst wieder Deckung.
Hunter und seine Männer warteten, geduckt und ängstlich, bis zum Mittag. Als nichts passierte, gab Hunter zögerlich den Befehl, die Arbeit wieder aufzunehmen. Er erkundete mit einer Handvoll Männern die nähere Umgebung, aber die Wilden blieben spurlos verschwunden.
Er kehrte zum Schiff zurück. Seine Seeleute waren ausgezehrt, ermattet und bewegten sich langsam. Doch Enders war gut aufgelegt. »Drückt die Daumen und rühmt die Vorsehung«, sagte er, »dann sind wir morgen früh wieder auf See.«
Während das Hämmern und Klopfen wieder einsetzte, ging Hunter nach Lady Sarah sehen.
Sie lag im Bett und stierte auf die Tür, als Hunter eintrat.
»Madam«, sagte er. »Wie fühlt Ihr Euch?«
Sie starrte ihn an, ohne zu antworten. Ihre Augen waren geöffnet, aber sie sah ihn nicht.
»Madam?«
Keine Antwort.
»Madam.«
Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht. Sie blinzelte nicht mal, schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
Er ließ sie kopfschüttelnd allein.
Sie brachten die El Trinidad mit der am Abend einsetzenden Flut wieder zu Wasser, konnten die Bucht aber nicht vor Tagesanbruch verlassen. Hunter schritt an Deck seines Schiffes auf und ab, ohne das Ufer aus den Augen zu lassen. Das Trommeln hatte wieder begonnen. Er war hundemüde, wollte sich aber nicht schlafen legen. Die ganze Nacht hindurch zischten immer wieder die tödlichen Pfeile durch die Luft. Es wurde niemand getroffen, und Enders, der über das Schiff kroch wie ein hellwacher Affe, erklärte, er sei mit den Instandsetzungen zufrieden, wenn auch nicht begeistert davon.
Bei Sonnenaufgang lichteten sie den Heckanker, und nachdem sie ein Stück vom Strand weggetrieben waren, füllten sich ihre Segel und sie nahmen Kurs aufs offene Meer. Hunter behielt das Ufer im Auge. Er rechnete jeden Augenblick damit, dass die roten Krieger mit einer Flotte Kanus angreifen würden. Aber jetzt konnte er ihnen eine Kostprobe von seinen Kanonen bieten und freute sich geradezu auf die Gelegenheit.
Doch die Indianer griffen nicht an, und als der Wind die Segel blähte und No
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