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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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sich, um sie an einem Finger herauszuziehen.
    Der Finger steckte nur lose im Sand. Vor Schreck ließ der Mann ihn fallen und trat zurück. »Allmächtiger!«
    Hunter spürte sein Herz heftig klopfen. Er blickte die Seeleute an, die ängstlich zurückgewichen waren.
    »Ganz ruhig«, sagte er und beugte sich vor, um die Finger einen nach dem anderen aus dem Sand zu ziehen. Er hielt sie seinen Männern auf der flachen Hand hin. Sie starrten entsetzt darauf.
    »Was hat das zu bedeuten, Captain?«
    Er hatte keine Ahnung. Er steckte die Finger in seine Tasche. »Zurück zur Galeone, und dann sehen wir weiter«, sagte er.
     
    Am Abend saß er am Lagerfeuer und schaute sich im Schein der Flammen die Finger an. Lazue hatte die Erklärung geliefert, nach der sie alle suchten.
    »Sieh dir die Enden an«, sagte sie und deutete auf die groben Schnittstellen. »Das ist die Handschrift der Kariben, keine Frage.«
    »Kariben«, wiederholte Hunter erstaunt. Die Kariben, einst ein ausgesprochen kriegerischer Indianerstamm auf vielen karibischen Inseln, waren bloß noch eine Art Mythos, ein untergegangenes Volk. In den ersten hundert Jahren ihrer Herrschaft hatten die Spanier sämtliche Indianer der Karibik ausgelöscht. Nur im Innern einiger entlegener Inseln fanden sich noch wenige friedliche Arawaks, die in Armut und Elend lebten. Doch die blutrünstigen Kariben waren seit Langem verschwunden.
    So glaubte man jedenfalls.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Hunter.
    »Das sehe ich an den Schnittstellen«, antwortete Lazue. »Die Finger wurden nicht mit Metallklingen abgeschnitten, sondern mit Steinklingen.«
    Hunter wollte ihr noch immer nicht recht glauben.
    »Das muss ein Trick von den Spaniern sein, um uns Angst einzujagen«, sagte er. Doch die Erklärung klang sogar für ihn selbst wenig überzeugend. Alles passte zusammen – die Spuren von den Kanus, die Krokodilhaut mit den Löchern für den Lederriemen.
    »Die Kariben sind Kannibalen«, sagte Lazue tonlos. »Aber sie lassen die Finger zurück, als Warnung. So machen sie das immer.«
    Enders trat zu ihnen. »Verzeiht, Sir, aber Miss Almont ist noch nicht wieder da.«
    »Was?«
    »Sie ist noch nicht zurück, Sir.«
    »Von wo?«
    »Ich hab sie ins Landesinnere gehen lassen«, sagte Enders kleinlaut und deutete in Richtung der dunklen Kakteen, weg vom Feuerschein um das Schiff. »Sie wollte Früchte und Beeren sammeln, weil sie ja Vegetarierin –«
    »Wann ist sie losgegangen?«
    »Heute Nachmittag, Captain.«
    »Und sie ist noch nicht zurück?«
    »Ich hab ihr zwei Männer als Begleitung mitgegeben«, sagte Enders. »Ich hätte nie gedacht –«
    Er verstummte.
    In der Dunkelheit ertönte das ferne Schlagen von Indianertrommeln.

KAPITEL 33
    Im ersten der drei Beiboote lauschte Hunter auf das sanfte Plätschern des Wassers an den Bootswänden und spähte durch die Nacht auf die näher kommende Insel. Das Trommeln klang lauter, und sie konnten das schwache Flackern von Feuer sehen, landeinwärts.
    Lazue neben ihm sagte: »Die essen keine Frauen.«
    »Ein Glück für dich«, sagte Hunter.
    »Und für Lady Sarah.«
    »Es heißt«, sagte Lazue und lachte leise im Dunkeln, »die Kariben essen auch keine Spanier. Die sind ihnen zu zäh. Die Holländer sind fett, aber fade, die Engländer mittelmäßig, aber die Franzosen köstlich. Könnte stimmen, meinst du nicht auch?«
    »Ich will sie wiederhaben«, sagte er grimmig. »Wir brauchen sie. Wie sollen wir dem Gouverneur begreiflich machen, dass wir seine Nichte gerettet haben, nur um sie gleich wieder an Wilde zu verlieren, die sie am Spieß gebraten haben?«
    »Du hast keinen Sinn für Humor«, sagte Lazue.
    »Heute Nacht nicht.«
    Er sah sich nach den anderen Booten um, die ihnen im Dunkeln folgten. Alles in allem hatte er siebenundzwanzig Männer mitgenommen. Enders war bei der El Trinidad geblieben und versuchte, sie im Schein der Feuer in aller Eile wieder seeklar zu machen. Enders konnte mit Schiffen Wunder bewirken, aber das jetzt war selbst von ihm zu viel verlangt. Auch wenn ihnen die Flucht mit Lady Sarah gelang, es würde wenigstens noch einen Tag dauern, bis sie No Name verlassen konnten, vielleicht länger. Und inzwischen würden die Indianer angreifen.
    Er spürte, wie sein Beiboot knirschend am sandigen Ufer auflief. Die Männer sprangen ins knietiefe Wasser. Hunter flüsterte: »Alle raus bis auf den Juden. Vorsichtig mit dem Juden.«
    Don Diego stieg erst einen Augenblick später ganz behutsam ans trockene Ufer,

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