Gold und Stein
mit einem scheuen Lächeln.
»Und wie sicher ich mir bin!«, entgegnete die Fischartin. Das Kinn gereckt, die kleinen Hände zu Fäusten geballt, erhob sie sich von ihrem Schemel und trat dicht vor die große, stämmige Frau. Sie musste den Kopf heben, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Räudige Schwätzerin! Wage niemals mehr, mir zu nahezukommen und mir auch nur einen Tropfen von deinen seltsamen Tinkturen einzuträufeln. Jeder hier im Raum weiß, was du uns angetan hast. Jeder hier kann das bezeugen. Für immer wirst du dafür in der Hölle schmoren.«
»Guter Gott, Editha!« Beschwichtigend hob Gernot die Hände, tätschelte der Hundskötterin die Schulter. »Verzeiht, meine Liebe, Ihr wisst, wie schnell sich die Sinne einer Schwangeren wandeln. Oft sagen sie in einem Moment genau das Gegenteil von dem, was sie im anderen gemeint haben. Natürlich sind wir Euch zutiefst dankbar für alles, was Ihr in den vielen Jahren für uns Gutes getan habt.« Als Editha wieder schnaufte, warf er ihr einen mahnenden Blick zu, lächelte dann die Hundskötterin zuvorkommend an. »Nie werden wir Euch das vergessen. Doch Ihr seht es selbst: Meine Frau verträgt Eure Tropfen dieses Mal nicht sonderlich gut. Deshalb wird sie wohl besser darauf verzichten. Da auch Euch das Wohl meiner Gemahlin am Herzen liegt, seid Ihr gewiss damit einverstanden, dass wir eine andere Hebamme hinzuziehen. Natürlich werde ich Euch trotzdem den vereinbarten Lohn für die entgangenen Dienste zukommen lassen. Seid versichert, dass wir Euch allezeit in bester Erinnerung behalten.«
Für einen Moment starrte die Hundskötterin ihn sprachlos an. Seine unterwürfige Freundlichkeit verwirrte sie. Dann aber fasste sie sich wieder und holte Luft, um etwas zu erwidern. Doch Agnes kam ihr zuvor. »Mir scheint, für heute seid Ihr hier nicht mehr vonnöten. Ihr habt gehört, was die Fischarts wünschen. Der versprochene Lohn wird Euch morgen geschickt.«
Entschlossen drängte sie die Hebamme zur Tür. Zu ihrer eigenen Verwunderung gelang es ihr ohne große Mühe, sie nach draußen zu schieben. Ein spitzes Lachen entfuhr der kräftigen Frau, als sie sich so unverhofft wieder auf der dunklen Gasse fand. Agnes schloss rasch die Tür.
»Das hast du gut gemacht, Liebes«, lobte Gunda. Auch Laurenz schenkte ihr ein stolzes Lächeln.
»Wie konntest du nur?« Bei ihrem Bruder Caspar stieß ihr Eingreifen dagegen auf Empörung. »Es ist nicht zu fassen, dass du diese gemeine Bübin einfach so ziehen lässt! Nach allem, was sie uns und vor allem Euch, liebe Fröbelin, angetan hat, sollten wir sie sofort dem Büttel übergeben.«
»Und dann?« Herausfordernd erwiderte Agnes seinen Blick, griff sich an das Halstuch. »Willst du ihr die Bühne geben, anderen ausgiebig von den Vorfällen in unserer Familie zu erzählen? Wie stehen unsere Eltern dann da? Begreif doch, Caspar: Auch siebzehn Jahre nach den Ereignissen ist es unmöglich, jemandem zu erzählen, dass du der Sohn von Gunda Fröbel und Gernot Fischart und damit mein Zwillingsbruder bist! Dass Rudolf Kelletat nie mein leiblicher Vater war, auch wenn er selbst das behauptet hat.«
Einen Moment schwiegen alle betroffen. Caspar zürnte ihr nun erst recht ob der offenen Maßregelung und wandte sich ab. Gunda wollte zu ihr gehen, hielt jedoch inne, als sie gewahr wurde, dass Laurenz sich bereits neben sie stellte und ihr zum Zeichen seines Einverständnisses die Hand auf den Arm legte.
»Dem Himmel sei Dank!«, stieß Editha schließlich aus. Zustimmung heischend, suchte sie den Blick ihres Gemahls und erklärte in festem Ton: »Ich kann es kaum fassen, wie rasch die gemeine Bübin aus unserem Haus verschwunden ist. Wollen wir hoffen, dass sie niemals mehr bei uns auftaucht!«
»Bist du von Sinnen, sie derart zu beleidigen?«, brauste Gernot auf, sichtlich froh, seinem aufgestauten Ärger Luft machen zu können. »Wie oft hast du mir ausgemalt, zu was die gerissene alte Pfaffenhure fähig ist? Denkst du, sie lässt sich jetzt so einfach abspeisen? Natürlich wird sie nicht zum Büttel gehen und Klage über uns führen. Damit würde sie sich nur ins eigene Fleisch schneiden. Doch man muss sie nicht sonderlich gut kennen, um zu ahnen, welche Mittel und Wege sie finden wird, uns zu schaden. Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, was sie alles über uns weiß.«
»Du meinst wohl eher: was sie über dich weiß«, erwiderte Editha ungerührt. »Sei versichert, mein Lieber: Nie war ich mehr bei Sinnen als jetzt, da ich
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