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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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aufgehört habe, ihre verdammten Tropfen zu nehmen. Ist es nicht das, was du immer von mir verlangt hast? Darf ich dich an deine eigenen Worte erinnern? ›Wir brauchen ihre Dienste nicht mehr‹, hast du erst heute Nachmittag zu mir gesagt. Je eher wir ihr das zu verstehen geben, desto besser ist es für uns alle. Schließlich haben wir nun, da wir alles unter uns geregelt haben, nichts mehr von ihr zu befürchten.«
    »Das hättet Ihr alles schon früher haben können«, merkte Gunda an, doch Editha schenkte ihr keine Beachtung. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Gernot. Mehrmals rieb sie sich über den kugeligen Bauch, scharwenzelte um ihn herum und schob dabei die breiten Hüften aufreizend hin und her.
    »Glaub mir, mein Lieber, ich kenne die meineidige Pfennigjungfer bestens. In bald achtzehn Jahren hatte ich Gelegenheit genug.« Spitz lachte sie auf. »Schick morgen wieder einen ausreichend gefüllten Beutel auf den Steindamm und versprich ihr, auch fürderhin regelmäßig zu zahlen, wenn sie schweigt. Dann wird sie sich gut überlegen, ob sie uns weiterhin bedrängt oder nicht. Wir aber sind uns einig, künftig ohne ihre Dienste besser auszukommen. Oder hegst du doch wieder daran Zweifel?«
    Sie blieb vor ihm stehen, streckte ihm die zum Kuss gespitzten Lippen entgegen. Er zögerte, äugte erst zu Gunda, dann zu Agnes und Caspar und entschied sich dann, seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf den Mund zu geben.
    »Zum Glück gibt es außer der Hundskötterin noch viele gute Hebammen hier am Pregel«, mischte Agnes sich ein. »Die Streicherin hält große Stücke auf die Beginen im Kneiphof. Als Schwester einer Wehmutter wird sie wissen, warum. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt, wenn ich auch einmal einen Rat dieser Art von ihr brauche.«
    »Damit, mein Kind, darfst du allerdings noch eine Weile warten«, beeilte Gunda sich klarzustellen. »Zuerst gibt es noch einiges zu tun, bevor du die Dienste einer Hebamme in Anspruch nimmst.«
    »Darauf werde ich schon achten, verlasst Euch darauf«, versicherte Laurenz und verbeugte sich vor Gunda.
    »Ich hoffe, Ihr steht zu Eurem Wort. Meine Tochter ist manchmal sehr ungestüm.«
    »Das soll ich übrigens von meinem Vater geerbt haben«, erklärte Agnes augenzwinkernd und hauchte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange.

[home]
    Epilog
    Kneiphof (Königsberg)
Ende Oktober 1466
    D ie zwiefache Geburt hatte Agnes viel Kraft gekostet. Endlich war auch die Nachgeburt überstanden, und sie konnte in die Kissen sinken. Erschöpft schloss sie die Augen. Sie fühlte sich leer und ausgelaugt, unfähig, auch nur die Lider noch einmal zu öffnen. Aus weiter Ferne drangen die gedämpften Stimmen der Mutter und der Hebamme an ihr Ohr. Ein zaghaftes Wimmern schreckte sie auf. Unter größter Mühe gelang es ihr, sich aufzurichten, den Oberkörper auf den Ellbogen zu stützen und die Augen aufzuschlagen.
    »Was ist los?« Die eigene Stimme klang ihr fremd. Verwundert kniff sie die Augen zusammen, versuchte, etwas zu erkennen. Das Geschehen in ihrem Schlafgemach spielte sich hinter einem dichten Nebelschleier ab. Schwaches Kerzenlicht beleuchtete einzelne Inseln in dem großzügigen Raum. Die Umrisse der dunklen Eichenholzmöbel und die Muster auf den schweren Teppichen und Vorhängen verschwammen ebenso ineinander wie das Rautenmuster der Fliesen auf dem Boden. Agnes schwindelte. Matt wischte sie sich die schweißnasse Stirn.
    In der hinteren Ecke der Stube, nahe dem vom Flur zu beheizenden Ofen, machten sich die Mutter und die Hebamme zu schaffen. Die beiden großgewachsenen, schlanken Frauen hantierten schweigend, Schulter an Schulter an dem auf einem Tisch stehenden Bottich herum. Viel mehr als ihre vornübergeneigten Rücken konnte Agnes nicht erkennen. Vermutlich badeten sie die Kleinen, um sie vom letzten Schleim des Mutterleibs zu befreien. Gewärmte Leinentücher zum Wickeln lagen auf dem gekachelten Ofen bereit. Obwohl Wasserdampf aus dem Bottich aufstieg, ertrugen die Neugeborenen diese Pflege nur unter Protest, wie ihr Wimmern verriet. Die zaghaften Stimmen rührten Agnes.
    »Bringt mir endlich meine Kinder!«, rief sie, so laut sie konnte. Das Rufen glich eher einem hilflosen Keuchen. Kaum vermochte es das Knacken des Brennholzes im Ofen zu übertönen. Dafür übertrug sich das Zittern ihres Leibes auf jede einzelne Silbe. Ihre Finger spielten mit dem Halstuch, das sie nicht einmal während der Niederkunft abzulegen gewagt hatte. Fahrig glitten sie unter den Stoff, suchten

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