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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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die Lischke siehst, wirst du dich wundern. Als gelte es, diese Überlieferung der Ungläubigen in Ehren zu halten, haben die Siedler ihre Häuser wie ein Hufeisen um den Teufelsstein herum gebaut. Fast könnte man meinen, sie wollten den heidnischen Bann nicht durchbrechen.«
    »Warum sollte ich erschrecken? Meinst du, die Geister der wilden Prussen wandern noch durch die Gegend?«
    »Das könnte gut sein«, erwiderte Laurenz schmunzelnd. »Immerhin liegt ein alter prussischer Friedhof nicht weit von hier entfernt. Vielleicht finden die Toten keine Ruhe und wandeln umher.«
    »Das würde mich nicht wundern! Es ist so schön hier, da wollte ich auch nicht bis in alle Ewigkeit tot unter der Erde liegen, sondern lieber als Geist weiter durch die herrliche Gegend ziehen.«
    »Warten wir ab, ob du das dereinst auf dem Sterbebett immer noch so siehst«, erwiderte er mit einem seltsamen Unterton. »Die ewige Ruhe ist etwas, was man keinem verwehren sollte, nicht einmal sich selbst.«
    In gedämpfter Stimmung erreichten sie die Lischke. Wie von Laurenz angekündigt, reihten sich die Häuser einem gewaltigen Hufeisen gleich um einen großen, grauen Steinbrocken. Sie waren nicht die ersten Gäste des in der Mitte liegenden Wirtshauses. Einige Pferde sowie ein Fuhrwerk mit eingespanntem Ochsen standen im Schatten einer großen Eiche. Zufrieden nahm Laurenz das zur Kenntnis und band seinen Braunen ebenfalls dort an. Neugierig ruckte ein Hahn heran, umringt von seiner ergebenen Schar Hühner. Eine dunkle Katze drückte sich im Schatten der Hauswand herum. Der verlottert aussehende Hund hob schläfrig den Kopf.
    Der Krug entpuppte sich als eingeschossiges Lehmhaus mit einem tiefgezogenen Strohdach. In dem von einer niedrigen Decke mit schwarzen Balken beherrschten Raum waren Tische und Bänke weitgehend leer. Lediglich im schummrigsten Winkel an der rückwärtigen Wand hockte eine Handvoll Männer. Die Rücken tief über die Bierkrüge gebeugt, unterhielten sie sich mit gedämpften Stimmen. Agnes drang der Geruch nach kräftiger Suppe in die Nase. Sogleich musste sie an den Silbernen Hirschen denken. Wer Griet und Großmutter Lore wohl beim Bedienen der Gäste half, wenn die Mutter mit Ulrich im Sudhaus stand? Wahrscheinlich gab es dort längst kein Bier und keine Suppe mehr zu verteilen. Die Stadttore waren geschlossen, die Deutschordensritter lagen davor auf der Lauer. Fremde kamen keine mehr, und die Wehlauer hatten Wichtigeres zu tun, als sich bei Bier und Würfelspiel im Wirtshaus zu vergnügen.
    »Gott zum Gruße, verehrter Werkmeister«, kam ein dickbauchiger Mann geschäftig auf Laurenz zu. »Wie schön, Euch wieder einmal bei uns begrüßen zu dürfen. Dieses Jahr kommt Ihr häufiger als sonst. Es gibt halt überall im Land viel zu tun für tüchtige Baumeister wie Euch.«
    Die Hände nach Laurenz ausgestreckt, richtete er seinen Blick unverhohlen auf Agnes. Von Kopf bis Fuß maß er sie wie ein Stück Vieh, das er auf dem Markt zu kaufen gedachte. Agnes wurde unbehaglich. Sie griff sich an das Halstuch, vergewisserte sich, dass es das Feuermal im Nacken verbarg.
    »Das ist wohl Eure Base, die Euch nach Labiau begleitet hat.« Langsam verzog sich der dicklippige Mund des Krügers zu einem anmaßenden Grinsen. »Längst ist die Kunde von dem schönen Kind bis zu uns nach Pronitten vorgedrungen. Ein hübsches Fräulein, mein Bester. Passt nur gut auf sie auf! Ich wusste gar nicht, dass Ihr über so ansehnliche Verwandtschaft verfügt.«
    Er lachte schallend. Auch die wenigen Gäste stimmten in das Gelächter ein. »Nichts für ungut, mein Lieber!« Versöhnlich klopfte der Wirt Laurenz auf die Schultern und führte ihn zu einem der langen, blank polierten Tische. »Wir alle kennen Euch zu gut, um Euch Unehrenhaftes zu unterstellen.«
    Agnes meinte, er begleitete seine Worte mit einem frechen Augenzwinkern. Laurenz schien nichts davon zu bemerken. Stattdessen musterte er die Gruppe der Männer, fand den erwarteten Zunftgenossen jedoch nicht darunter, wie sein verwirrter Blick verriet.
    »Ihr seid also auf dem Weg zur Marienburg. Euer Zunftgenosse, Meister Friedrich, hat es mir vorhin erzählt. Er hat nur schnell was zu erledigen, dann kommt er wieder.« Wieder erlaubte er sich ein anzügliches Lächeln, das von den Männern am Nebentisch mit einem frechen Grinsen erwidert wurde. »Der Hochmeister ruft Euch wohl, um neue Mauern und Wälle hochzuziehen. Will er also der Welt beweisen, wie wenig ihm der Angriff der Danziger und

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