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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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neuen Steuern und Abgaben bestanden und überhaupt besser mit dem gewirtschaftet, was sie seit Jahr und Tag aus uns herauspressen, wäre es niemals so weit gekommen, dass sich die Städte gegen sie verbünden. Und ohne diesen vermaledeiten Krieg hätten sie weder der kostspieligen böhmischen Truppen bedurft, noch müssten sie die abgerissenen Burgen hinterher wieder für teures Geld richten, von den zerstörten Städten und dem niedergebrannten Land ganz zu schweigen. Eine Schande, dass der gute Hochmeister nicht so weit denken kann und trotzdem an der Spitze unseres Landes steht.«
    »Recht habt Ihr!«, stimmte ihm der schwarzhaarige Mann zu und erhob sich von seinem Platz. Wie sein winziger Kopf bereits vermuten ließ, war er von schmächtiger Gestalt und überragte die Sitzenden selbst im Stehen nur um wenige Handbreit. Dafür aber dröhnte seine tiefe Stimme umso kräftiger durch die Stube. »Und wisst Ihr, was mir dabei gerade noch auffällt?«
    Lauernd sah er in die Runde, betrachtete Agnes dabei einen Moment länger, als schicklich war. Dann wanderte sein Blick zu Laurenz. Mit hochgerecktem Zeigefinger platzte er heraus: »Die Baumeister, Maurer, Zimmerleute und Steinmetze sind diejenigen, die bei der ganzen Sache am besten verdienen, ganz gleich, was geschieht! Zum einen helfen sie den Bürgern, mit den Steinen der geschleiften Ordensburgen stattliche Häuser zu errichten, zum anderen lassen sie sich von den Ordensrittern anheuern, um die zuvor zerstörten Burgen wieder aufzubauen oder überhaupt erst tüchtig für Angriffe aufzurüsten. Solche wie sie«, er nickte abfällig zu Laurenz, »reiben sich also zufrieden die Hände, weil sie goldenen Zeiten entgegengehen. Kein Wunder, dass sie uns einreden wollen, wir sollten dem Hochmeister und seinen Mannen weiter blindlings vertrauen.«
    In der Stube kehrte betretenes Schweigen ein. Die anderen Gäste senkten die Blicke, selbst der Halbkahle wirkte verstört. Unruhig strich sich der dicke Wirt über den Bauch. Laurenz war der Einzige, der erhobenen Hauptes dem Gesagten standhielt.
    »Ihr wisst hoffentlich, was Ihr da gerade sagt«, begann Laurenz unerschrocken. Alles an ihm strahlte Besonnenheit aus. »Leider hatte ich noch nicht das Vergnügen, Euch kennenzulernen. Deshalb weiß ich nicht, welcher Zunft Ihr angehört und ob Ihr Euch im Klaren seid, in welcher Gesellschaft Ihr Euch hier befindet. Zur Sicherheit sage ich es Euch. Schließlich sollt Ihr nicht allzu erstaunt darüber sein, warum man Eure Worte mit Schweigen aufnimmt. Die Herren an Eurem Tisch gehören wie ich denjenigen Gewerken an, die laut Eurer Meinung als einzige ihren Vorteil aus dem Krieg des Ordens gegen die Städte ziehen. Da ist zum einen Rottinger, der Tischler aus Heiligenbeil«, mit der rechten Hand wies er auf den Halbkahlen. »Er ist zwar derjenige von allen, der in Euren Augen am wenigsten von der regen Bautätigkeit der letzten Monate profitiert. Dennoch kann auch er sich nicht beschweren, weil allerorten neue Tische, Bänke, Truhen und Regale verlangt werden. Neben ihm sitzt Huschke, ein Maurer aus Thorn.« Damit zeigte er auf Rottingers Banknachbarn. Den Mann neben ihm stellte er als Maurer Böck aus Frauenburg und den Letzten als Steinhauer Pfleiderer aus dem Süddeutschen vor.
    Der Schwarzhaarige verfolgte aufmerksam seine Worte. Die Männer am Tisch nickten bei der Vorstellung. Agnes begriff erst nicht, warum er erst von Laurenz erfuhr, mit wem er am Tisch saß. Dann fielen ihr die Würfel auf. Die Spielsucht musste sie davon abgehalten haben, mehr voneinander zu erfahren. Das war ihr aus den Runden im Silbernen Hirschen bestens vertraut. Es gab Männer, die fanden sich auf ihren Reisen kreuz und quer durchs Land immer wieder mit denselben zum Würfeln zusammen. Dabei wussten sie auch noch nach Jahren kaum mehr voneinander als nur, wann sie sich das nächste Mal zum Spielen treffen würden und wie viel Geld wer wem schuldig geblieben war.
    »Bestimmt verratet auch Ihr uns jetzt, womit Ihr Euer Brot verdient und was Euch hierherführt«, schloss Laurenz die Runde mit einem zuvorkommenden Lächeln ab.
    Alle Blicke richteten sich neugierig auf den Schmächtigen in ihrer Mitte. Verlegen fuhr sich der Angesprochene mit den Fingern durch den üppigen Bart. Seine Kleidung war sauber und schlicht, der Kittel wie die weite, lange Hose an einigen Stellen geflickt. An seinem Gürtel baumelten neben dem schlaffen Geldbeutel aus Leder ein kleiner Kasten für sein Besteck sowie ein

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