Gold
haben Nadeln und Tinte, Männer mit Pferdeschwanz und Latexhandschuhen und … oooh, das ist total sexy , Catherine! Sag, dass du mitkommst!«
Zoe umarmte sie, legte ihr Gesicht nahe an das von Kate und zog im Spiegel eine Schnute.
Kate schüttelte sie ab. »Wir haben doch die Besprechung mit Tom.«
Zoe richtete sich auf. »Keine Zeit. Wir schleichen uns durch die Hintertür raus. Ich meine, was will der alte Mann denn schon machen? Uns nachrennen?«
Kate sah skeptisch aus. »Mal im Ernst. Die Zeitungen … solltest du dich nicht lieber vom Scheinwerferlicht fernhalten, Zoe? Ich an deiner Stelle würde das tun.«
Sie spürte, wie der Kamm einen Moment lang innehielt, sah auf und bemerkte Zoes unverstellten Blick im Spiegel. Ja, aber du bist nicht an meiner Stelle, sagte er.
Der Blick verriet, dass Kate in ihren Augen nicht das Gesicht, die Fantasie und das Charisma besaß, um in größeren Dimensionen zu denken. Sie beobachtete, wie Zoe den Blick zurücknehmen und in etwas weniger Wertendes verwandeln wollte, aber es war zu spät.
Sie versuchte, den Gedanken loszuwerden. Natürlich wusste sie, dass sie neben Zoe weniger geheimnisvoll, attraktiv und interessant wirkte, aber sie hatte sich daran gewöhnt. Es war nicht schwer, jede Eigenschaft durch etwas Eigenes auszugleichen. Beispielsweise war sie eine gute Mutter. Hilfsbereit und geduldig mit Jack und Sophie. Sie war ziemlich intelligent. Sie hatte eine Menge über Blutkrankheiten und entwicklungsfördernde Ernährung gelernt. Sie nahm Rücksicht auf die Gefühle anderer.
Sie versuchte, Zoe ihrerseits mit einem Blick zu mustern, der weder eingeschüchtert noch aggressiv wirkte. Heraus kam ein dämlicher Gesichtsausdruck. Verdammt, manchmal wusste sie einfach nicht, wie sie sich Zoe gegenüber verhalten sollte. Etwas an ihr vermittelte Kate das Gefühl, ein guter Mensch, aber auch ein Feigling zu sein. Wenn sie an Zoes Beziehungen dachte, verspürte sie manchmal eine wunderbare Ruhe, weil sie Gott sei Dank anders war, aber auch eine müde Faszination – nicht weil ihre Freundin unersättlich war, sondern weil sie sich selbst mit so wenig zufriedengab. Meist war sie glücklich, weil Jack mit ihr glücklich war. Das war ihr ganzer Ehrgeiz gewesen.
Als sie herausgefunden hatte, dass Zoe ihn ganz am Anfang ihrer Beziehung angerufen hatte, war das zwar ein wenig bedrohlich gewesen. Aber sie war sich sicher, dass er Zoe nicht liebte, und die Tatsache, dass es bei Anrufen geblieben war, bewies das. Auch war sie sich sicher, dass Zoe Jack nicht liebte und Kate nur aus dem Gleichgewicht bringen wollte. Was sie jedoch entmutigte, war die Erkenntnis, dass Zoe das alles als Teil des Spiels betrachtete. Damals waren sie noch keine Freundinnen gewesen – es gab keine guten Erlebnisse, die den Schmerz ausgeglichen hätten.
Es war zu Beginn der Trainingspause. Die nationalen Meisterschaften waren vorbei, und Tom hatte ihnen befohlen, sich einen Monat lang zu erholen. Kate versuchte, zur Ruhe zu kommen, aber es war langweilig, in ihrer Mietwohnung in East Manchester eingesperrt zu sein. Auch Jack sollte sich entspannen. Er lümmelte mit hochgelegten Beinen und Kopfhörern auf dem Sofa, die Augen glasig vor erzwungener Untätigkeit, und nickte im Rhythmus von schottischen Reels und Indie-Rock. Kate versuchte, Zoes Anrufe zu vergessen, doch wann immer Jacks Telefon klingelte – seine Mutter erkundigte sich regelmäßig nach ihm, und sein Coach wollte sichergehen, dass er nicht trainierte –, rechnete sie mit Zoe, was vermutlich deren Absicht war. Sie las lustlos und warf die Bücher nach der Hälfte der Lektüre an die Wand, angewidert von den Protagonisten, die einfach nicht mit sich selber klarkamen. Im Leben dieser Charaktere gab es nur wenige Probleme, die Tom nicht gelöst hätte, indem er sie fein säuberlich in ihre Einzelteile zerlegte und analysierte oder den Leuten einfach befahl, ihren Arsch hochzukriegen. Kate hatte Mitleid mit Anna Karenina, Clarissa Dalloway und Holly Golightly, weil sie nicht einfach ihren Trainer anrufen konnten, und war froh, weil ihr eigenes Leben niemals in einem solchen heillosen Durcheinander enden würde.
Die Tage vergingen, nichts passierte. Der Himmel war schiefergrau, die Straßen schwarz vom Regen. Im Radio klingelten die Weihnachtsglöckchen, und Kreditkartenanbieter warben mit uneingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten.
Kate saß am Fenster und grübelte vor sich hin, während die Autos durch den Novembergraupel krochen. Die
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