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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Er fuhr ruhig, trieb sich nicht zu sehr an. Als er die Hälfte einer langen Steigung im Duddon Valley geschafft hatte, klingelte sein Handy. Er war dankbar für die Pause, blieb stehen und warf einen Blick aufs Display.
    Als er Zoes Nummer sah, zögerte er, den Daumen über dem grünen Knopf. Es war ein heller Tag, ein frischer Wind wehte, und in der Ferne streckten Regenwolken ihre Fühler aus. Die Luft roch nach Schafen und feuchtem Farn. Es ging ihm gut. Er genoss das Radfahren und die schöne Landschaft. Er hätte den Anruf auch ignorieren können. Doch die Sache mit Zoe war lange her, und sie war weit entfernt. Ein Gespräch schien harmlos.
    »Ich kann es nicht fassen, dass du nicht bei der Meisterschaft bist«, sagte sie, als er sich meldete.
    »Ich arbeite noch an mir.«
    »Das hat Kate mir erzählt. Ich habe sie im Finale geschlagen. Ich bin nationale Meisterin, verdammt! Bin immer noch außer Atem.«
    »Was hast du gemacht? Ihre Speichen gelockert?«
    »Ich bin einfach an ihr vorbeigefahren. Ganz locker. Sie hat sich mit dir statt mit dem Training beschäftigt.«
    »Das ist gemein.«
    »Aber es stimmt. Ihr habt einander weich gemacht. Sie zieht dich auf ihr Niveau herunter.«
    »Hast du mich aus Schadenfreude angerufen?«
    »Ich habe dich angerufen, weil ich dich vermisse.«
    Sie kam wieder zu Atem, und ihre Stimme klang jetzt sanft und drängend. Im Hintergrund war die tosende Menge im Velodrom zu hören. Jack spürte, wie das Adrenalin kalt durch seinen Körper schoss.
    Er hielt das Handy einen Moment vom Ohr weg und schaute ins Tal hinunter. Durch die Lücken zwischen den Wolken, die der Wind vor sich her trieb, zuckten goldene Flecken Sonnenlicht über die niedrigen Hügel und an den kahlen Flanken hinauf. Raben krächzten im Schutz der Eichen, die grasenden Schafherden blökten jenseits der Farngrenze.
    »Kate und mir geht es prima.«
    »Du solltest wieder Rennen fahren. Sie tut dir nicht gut.«
    »Zoe, mir tut nicht gut, dass ich mir die Wirbelsäule gebrochen habe.«
    Sie lachte. »Was für eine kleinliche Bemerkung. Selbst deine Stimme klingt irgendwie klein. Du lässt dich von ihr domestizieren.«
    Er lachte auch. »Da irrst du dich. Ich liebe Kate, okay?«
    »Liebe, Liebe, Liebe. Du triefst davon wie eine Fahrradkette vom Öl.«
    Er gab sich nicht länger belustigt. »Ich kenne meine Gefühle.«
    »Aber Kate? Ich meine, ich mag sie auch, und sie ist ziemlich hübsch, aber sie hat diese furchtbare Angewohnheit, immer die Zweite zu sein. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
    Wütend drückte er das Gespräch weg und sah sich um. Der Tag war ruiniert. Die Hügel sahen immer noch schön aus, das Licht war sanft, doch es hatte nichts Lebendiges mehr. Er steckte das Handy ein, stieg aufs Rad und fuhr den Rest der Strecke mit wütender Intensität. Seine Lungen brannten, und seine Muskeln taten weh, doch es tat gut, wieder zu leiden. Er zapfte die Kraft in seinem Inneren an, und die Erkenntnis, dass Zoe ihn wieder ins Spiel gebracht hatte, vergrößerte nur den Grimm, mit dem er die Hügel in Angriff nahm. Als er in Kates Wohnung zurückkehrte, war er völlig erledigt, spürte aber eine Energie, die die Fahrt nicht hatte verbrauchen können. Unter der Dusche dachte er an Zoe.
    Dreizehn Jahre später konnte sie immer noch in seine Gedanken eindringen, wenn sie ihn nur ansah. Jack umarmte Sophie und versuchte, sich auf seine Tochter zu konzentrieren, während Tom das Aufwärmprogramm der Mädchen beendete und sie für den Sprint aufstellte. Tom platzierte Kate innen und Zoe außen. Sie schoben ihre Vorderräder an die Startlinie. Starrten einander an.
    Tom blies in die Trillerpfeife.
    »Jetzt schau gut zu«, flüsterte Jack.
    Sie fuhren langsam an, standen in den Pedalen, nahmen Maß und warteten ab. Kate rückte vor, Zoe folgte ihr. Mit ausgeklügelter Balance, kaum merklichen Bewegungen des Lenkers und subtilen Druckveränderungen auf die Kettenblätter erzielten sie winzigste Positionsvorteile. Kate auf der Innenlinie konnte direkter vorgehen. Die Außenlinie war länger, doch dafür konnte Zoe hoch in die Kurven fahren und beim Angriff die Gravitation nutzen. Allmählich wurden sie schneller. Kate fuhr voran, noch immer ziemlich langsam, reckte den Kopf, um mögliche Reaktionen zu erkennen. Zoe blieb hinten, angriffsbereit, falls Kates Aufmerksamkeit auch nur einen Wimpernschlag lang nachlassen sollte.
    Jack wusste, das würde nicht passieren. Selbst er, der nur zusah, ließ nicht nach. Ein besseres

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