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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Gesichtsausdruck sah. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass Zoe vielleicht ganz in Ordnung war.
    »Nicht mit Kaffee. Trinken wir ein Glas Wein.«
    »Wein?«, fragte Zoe panisch.
    Kate nickte. »Den machen Franzosen aus Trauben. Gibt es in Rot und Weiß.«
    Zoe runzelte die Stirn. »Wein …«, wiederholte sie und schien das Wort selbst zu verkosten.
    »Na, komm schon. Wir haben frei. Genieß mal ein bisschen.«
    Sie ging zur Theke, bevor der Adrenalinrausch nachließ, und bestellte zwei Gläser Pinot Grigio. Sie hatte seit ihrem sechzehnten Geburtstag im Pub keinen Alkohol mehr getrunken und war überrascht, wie groß die Gläser waren, die der Barkeeper ihr aushändigte. Fast ein Viertelliter. Sie wühlte in ihrer Weste nach Geld, bezahlte mit einem feuchten Zwanzig-Pfund-Schein und war ein zweites Mal überrascht, weil sie so wenig zurückbekam.
    Am Kamin reichte sie Zoe ein Glas und setzte sich.
    »Prost.«
    »Prost.«
    Sie stießen miteinander an. Zoe roch an dem Wein, betrachtete ihn skeptisch und trank das Glas in einem Zug aus. Dann legte sie die Hände vor den Mund und schaukelte hin und her. »Oh. Gott. Iiih.«
    Sie holte ein Powergel mit Koffein aus ihrer Jackentasche, riss das Beutelchen auf, sog das Gel heraus, schluckte es und verzog das Gesicht.
    »Auf dem Rad schmeckt es besser, was?«
    Kate musste lachen. »Andere Leute holen sich an der Theke was zu knabbern.«
    »Andere Leute fahren bei dem Wind auch keine hundertdreißig Kilometer Rad. Ich könnte die ganze Theke essen.«
    Sie stand auf und machte sich auf die Suche nach etwas Essbarem. Kate starrte in den Kamin und spürte, wie ihre Finger und Zehen wieder zum Leben erwachten. Sie trank langsam ihren Wein und genoss das ungewohnte innere Glühen. Sie waren die einzigen Gäste im Pub, und der Sturm draußen wurde schlimmer. Das Wasser strömte nur so an den Scheiben herunter, und der Wind wehte in Böen, die sogar Robbie Williams in der Jukebox übertönten.
    Zoe kehrte mit einem Tablett voller Sandwiches und zwei frischen Gläsern Wein zurück. Kate machte große Augen.
    »Was denn? Das ist immerhin Vollkorn.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Zoe nickte zum Fenster hinüber. »Klar, aber wer will da schon raus? Eiskaltes Wasser, das vom Himmel fällt. Ich hätte niemals in den Norden ziehen sollen.«
    Kate schnaubte. »Das ist der Süden, meine Liebe. Du solltest mal den Lake District probieren. Da kommt der Regen aus der Arktis.«
    »Ich bin aus Surrey«, erwiderte Zoe und hielt ihr Weinglas mit geziert abgespreiztem Finger. »Unser Regen kommt aus Flaschen, auf denen Evian steht.«
    Kate lachte und trank ihr erstes Glas aus, um Schritt zu halten.
    Zoe betrachtete sie. »Das ist kein Rennen.«
    Etwas in ihrem Blick forderte Kate heraus, und sie trank das zweite Glas aus, ohne lange nachzudenken. Zoe tat es ihr nach, und sie stellten die Gläser zur selben Zeit ab.
    »Fotofinish. Die Menge tobt«, kommentierte Zoe.
    »Ich glaube, du lagst knapp vorn«, sagte Kate und dachte das Gegenteil.
    Sie saßen da und schauten ins Feuer.
    Nach einer Weile fragte Zoe: »Wie war es?«
    »Wie war was?«
    »Da oben im Lake District aufzuwachsen.«
    »Keine Ahnung. Nass.«
    »Geschwister?«
    Kate schüttelte den Kopf.
    »Ich auch nicht. Warst du glücklich?«
    Kate überlegte. Die Frage war nicht leicht zu beantworten und machte ihr ein bisschen Angst.
    »Wieso?«, fragte sie schließlich.
    Zoe hob die Hand. »Tut mir leid. Meine große Klappe.«
    »Nein, schon gut.«
    Der erste Weinrausch ließ allmählich nach. Die Wärme des Feuers wuchs zu einem Gravitationsfeld, der Wind heulte ums Haus, und so langsam bereute sie das zweite Glas. Sie musste noch nach Hause zu Jack fahren. Sie sah ihn im Geiste auf dem Sofa liegen. Sie stellte sich vor, wie sie aus dem Regen hereinkam, nass bis auf die Haut, und sich von ihm aufwärmen ließ. Er würde sie umarmen und ihr helfen, das nasse Trikot auszuziehen, und … na ja. Es war schön, wenn man zu jemandem zurückkehren konnte.
    Zoe aß ein Sandwich, warf seufzend die Kruste auf den Teller und deutete auf die leeren Gläser. »Aller guten Dinge sind drei?«
    Kate lächelte. »Wir sollten zurückfahren. In wenigen Stunden wird es dunkel.«
    »Wir könnten ein Taxi rufen. Die Fahrräder in den Kofferraum legen.«
    Kate zögerte und dachte an Jack. »Ich muss wirklich los.«
    Es klang ziemlich steif, und als sie die flüchtige Verzweiflung in Zoes Augen aufblitzen sah, wünschte sie, sie hätte einen herzlicheren Ton

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