Goldbrokat
deutschen Handelshauses, Tee und Porzellan, wenn ich mich recht erinnere. Ein unterhaltsamer Mann, der tai pan Kusan. Aber er ist nicht mit Ihnen verwandt, nehme ich an.«
»Von einer solchen Verwandtschaft müsste ich wissen. Nein, Herr Leutnant. Ich habe keinen Verwandten in China.«
»Nun, dann dürfte es Sie auch nicht sonderlich bekümmern, dass der arme Mann leider ein wenig zu sehr dem Übel des Landes verfallen war. Er erlag, wie manche von denen, die der Mühsal fern der Heimat nicht recht gewachsen sind, dem süßen Gift des Opiums. Nicht dass ich es nicht auch ein-, zweimal probiert hätte. Eine Pfeife wirkt äußerst entspannend, und manche Chinesen pflegen sich täglich eine kleine Dosis davon zu gönnen, ohne dass es ihnen schadet. Einige werden sogar uralt damit. Aber dieser Drago Kusan hat es wohl übertrieben.
Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er mit seiner chinesischen Geliebten zusammen eine Überdosis genommen hat und beide daran gestorben sind.«
Ich hielt mich mit Kraft aufrecht und bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen.
»Eine traurige Geschichte, Herr Leutnant. Und sicher nicht die einzige.«
»Ach nein, natürlich nicht. Manche Männer kommen ganz gut zurecht in der Fremde, andere verlieren die Kontrolle, werden melancholisch oder süchtig, lassen sich mit den Eingeborenen ein oder werden aggressiv und gewalttätig.«
Ich stand auf, weil ich einfach nicht länger still sitzen konnte, und trat an das Fenster. Ein Frühlingssturm schien sich über dem Rheintal zusammenzubrauen, Wolkenfetzen wurden bereits über den Himmel gepeitscht. Ein guter Grund, mich zu verabschieden und schnellstmöglich nach Hause zu gehen.
Doch ich wurde noch eine Weile von Madame Mira aufgehalten, die Kinder hatten noch Dutzende von Fragen, und Hannah wollte meine Meinung über die beiden Bücher wissen, die sie ausgeliehen hatten. Ich riss mich zusammen, beantwortete mechanisch alle Fragen, hielt mich aufrecht, so gut es ging. Aber als ich endlich auf die Straße trat, geriet ich nach wenigen Schritten bereits in einen gewaltigen Wolkenbruch.
Völlig durchnässt und mit klappernden Zähnen erreichte ich meine Wohnung, warf den Packen Seidengewänder in die Ecke, zog mich mit klammen Fingern aus und hüllte mich in meinen Morgenrock. Den Kamin anzumachen, dazu hatte ich keine Kraft mehr.
Er war tot. Gestorben in den Armen seiner Geliebten. Im Opiumrausch.
Warum war das so unfassbar für mich?
Seit acht Jahren lebte ich das Leben einer Witwe.
Vor acht Jahren war Drago Kusan ein für alle Mal aus meinem Leben geschieden.
Für mich war er seit jenem letzten Streit gestorben.
Warum schmerzte mich das Wissen darum so, dass er nun wirklich nicht mehr lebte?
Hatte ich tief in meinem Inneren etwa noch einen Rest Hoffnung gehabt?
Für ihn war es doch endgültig.
Und ich wollte von ihm frei sein.
Offensichtlich war diese Freiheit eine Lüge. Sonst würde mir doch jetzt das Herz nicht so wehtun. Mein Gott, wie konnte es für ihn so enden? – Opiumsüchtig! Selbstmord mit seiner Geliebten? Was hatte ihn nur angefochten? Drago? Der Drago, den ich kannte, hätte so etwas nie getan. Er konnte saufen, ohne den Verstand zu verlieren, er sah Liebe als Spiel von Lust und Leidenschaft, er hielt das Leben für einen Zirkus, in dem er wie ein Dompteur die Peitsche schwingen konnte, damit die anderen Menschen nach seinen Befehlen um ihn herumsprangen. Bekam er zufällig von einem ungebärdigen Tiger einen Prankenhieb ab, lachte er darüber nur.
Was hat China mit dir gemacht, Drago? Was hat es dir angetan, dass du in die Welt des Rausches und der Träume geflohen bist? Was hat diese Frau mit dir gemacht, dass du dein Leben gegeben hast?
Mein Leben hat dir nichts bedeutet.
Das Leben deiner Kinder hat dir auch nichts bedeutet.
Wir waren dir gleichgültig. Und darum wollte ich frei von dir sein.
Aber ich war es nicht.
Du aber hast dich von uns befreit.
Gründlich.
Jetzt vollständig.
Ich vergrub meinen Kopf in die Kissen, von Kälte, Trauer und Schluchzen geschüttelt.
Herzeleid
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Spann mir ein Kleid von Seide;
Das Blatt hat sich gewandt,
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Ich wein jetzund, daß Lieb und Sonnenschein
Stets voller Angst und Wolken sein.
Hofmannswaldau,Wo sind die Stunden
Nona stand etwas ratlos vor der verriegelten Tür des Modeateliers. Normalerweise schloss Madame Ariane es morgens für Bette auf und war auch meistens schon bei der Arbeit, wenn
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