Goldbrokat
konnte.
Das war zwar, wenn auch höflicher formuliert, auch die Meinung einer ganzen Reihe von Besuchern der Vernissage, aber bei Weitem nicht von allen. Ich selbst fand Leanders Bilder beeindruckend. Seine Motive waren meist aus der Natur gegriffen, er suchte sich weder Themen aus der Sagenwelt noch aus der Bibel, wie man es in den Salons derzeit so schätzte, sondern fand seine Motive im ganz normalen Leben. Das alleine irritierte die sogenannten Kunstkenner, weil es ihnen fremd war. Außerdem malte er unter Berücksichtigung der natürlichen Lichtverhältnisse, wie er es bezeichnete, und ließ nicht eine artifizielle Lichtquelle die Szene ausleuchten. Und zum Dritten verbarg er in seinen Gemälden oft kleine Hinterhältigkeiten, die man erst entdeckte, wenn man sie sehr genau betrachtete. Er konnte aber
auch sehr detailgetreu malen, was seinen Kritikern recht schnell den Wind aus den Segeln nahm. »Helenens Eitelkeit« hatte übrigens einen Käufer gefunden; ob derjenige wohl ahnte, welcher Hintergedanke in dem Bild steckte? Auch die Enten waren verkauft und drei sehr schöne, dramatische Landschaftsgemälde aus der Dordogne. Damit hatte sich die Reise finanziell für meinen Bruder wirklich gelohnt. Möglicherweise würde er sogar noch mehr verkaufen, denn zwei weitere Veranstaltungen waren noch geplant. Besonders freute mich für ihn, dass Paul-Anton Waldegg einen sehr informativen Artikel über ihn und seine Kunstrichtung veröffentlicht hatte, der frei von den üblichen schleimigen Lobhudeleien war, jedoch durchaus das Werk des Künstlers wertschätzte. Julia Waldegg hatte mir den Vorabdruck des Artikels höchstpersönlich vorbeigebracht und mir dann sogar noch ihre Hilfe angeboten.
Natürlich war ich ihren Hinweisen, was die Schulsituation meiner Kinder anbelangte, sofort nachgegangen, und ein langes Gespräch mit den beiden brachte ans Licht, dass sie in der Schule inzwischen völlig von ihren Mitschülern isoliert waren. Helenens Klüngel war wirksam geworden. Julia bot aber praktische Hilfe an. Zum einen würde Philipp nach Ostern das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium besuchen, und hier hatte sich Julias Vater, Alexander Masters, angeboten, ihm eine Empfehlung mitzugeben.
»Wenn er will, dann kann mein Vater sehr gräflich werden«, hatte Julia schmunzelnd gemeint. Man vergaß immer wieder, dass der Fabrikant eigentlich der Graf von Massow war. Für Laura, hatte Julia vorgeschlagen, könnte sich eine Möglichkeit ergeben, ebenfalls nach Ostern an einer Privatschule unterzukommen, deren Leiterin keine gesellschaftlichen Dünkel duldete. Außerdem sollte meine Tochter zusätzlichen Zeichenunterricht erhalten, das hatte Leander angeregt, der Lauras Talent als recht beachtlich einstufte. Er hatte ihr schon ein paar Stunden gegeben und eines der Resultate rahmen lassen. So hing nun in meinem Anprobenraum das Aquarell von Captain Mio,
der mich mit stolz aufgerecktem Schwanz aus seinem Lieblingskorb heraus anstarrte.
Wie ich den verschmusten kleinen Piraten vermisste!
Die Ausstellungseröffnung war jedoch nicht nur für Leander erfolgreich, sondern auch für mich.Violas Kleid hatte Aufsehen erregt, und einige Damen aus der Südstadt hatten schon Anfragen gesandt. In den schnell wachsenden Vororten Kölns lebte ein anderes Klientel als in der Altstadt. Hier zogen viele neue Bürger in die modernen Häuser, Industrielle, höhere Beamte, gehobene Angestellte, die zwar nicht über altes Vermögen, aber über respektable Einkommen verfügten und sich wenig um die gesellschaftlichen Befindlichkeiten der Alteingesessenen kümmerten. Wenn es mir gelang, mir unter ihnen einen Namen zu machen, dann konnte ich über kurz oder lang über eine Erweiterung meines Geschäfts nachdenken.
Aber nicht nur meine Tätigkeit entwickelte sich günstig, auch LouLous Salon Vaudeville erfreute sich steigender Beliebtheit. Der CanCan war zwar nur wenige Wochen lang ausschließlich bei ihr zu sehen gewesen, schnell hatten sich Nachahmer gefunden, aber das Publikum, das sie damit angelockt hatte, blieb ihr treu, ja, sorgte sogar für die Verbreitung ihres Rufes. Zusätzlich hatte Leander für sie ein Plakat entworfen, auf dem die röckeschwenkenden Tänzerinnen zu sehen waren. Natürlich ohne dass man die Beine sah. Wir Damen existierten ja unterhalb der Taille nicht.
Tante Caro hingegen schmollte weiter mit mir, aber das sollte mich nicht daran hindern, Madame Mira einen Besuch abzustatten und ihr von den verschiedenen Entwicklungen zu
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