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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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für sie sterben kann.«
    »Frauenzimmer!«, seufzte er. »Aber, na gut, ich will es versuchen.«
     
    Nona ging nachdenklich nach Hause, blieb nachdenklich, als sie ihre Aufgaben im Theater versah, und ging nachdenklich zu Bett.
    Liebe, die von Melisande melodramatisch beschworen, in Schauspielen verherrlicht, von Priestern verdammt, für viele einfach ein Geschäft war – was war Liebe?
    Ihr Verlust hatte Madame Ariane krank gemacht. Gab es etwas, um das sie auch so trauern würde, wenn sie es verlor?
    Wie von ungefähr glitt ihre Hand in ihre Rocktasche und berührte den Seidenschal.
    Ja, es gab etwas, für das sie sogar bereit war zu morden und dessen Verlust sie zerstören würde.
    Das war also Liebe.

Reise zurück
    Der Kraft des großen, edlen Menschen ist Erfolg beschieden
Durch tägliche Selbsterneuerung.
Förderlich ist es, nicht zu Hause zu essen
Und das große Wasser zu überqueren.
     
    I Ging,Ta Ch’u – Die Kraft des Großen
    Die Silver Cloud machte ihrem Namen alle Ehre. Im gleißenden Sonnenlicht blähten sich die weißen Segel, sodass sie wie eine silberne Wolke vom Wind getrieben über die blaue See jagte. Drago stand an der Reling und sah das Land am Horizont verschwinden.
    Ein entscheidender Schritt war getan.Was er bringen würde, lag in der Zukunft, die er mit seinem derzeitigen Handeln gestaltet hatte.
    Über seinen eigenen philosophischen Gedankengang musste er lächeln. Nein, er war noch weit davon entfernt, einer der Erleuchteten vom Kalten Berg zu sein. Zu sehr verhaftet war sein Denken in westlichen Gewohnheiten. Er machte sich Sorgen um die Folgen seines Tuns, statt darauf zu vertrauen, dass eine höhere Ordnung alles in die richtigen Bahnen lenken würde. Da war beispielsweise George Liu. Der Junge hatte ohne zu zögern eingewilligt, ihn auf seiner Reise nach Deutschland zu begleiten, und sich dabei in die Rolle eines Kammerdieners gefügt. Ohne dazu aufgefordert zu sein, hatte er sich um das Gepäck, die Kabine, die notwendigen Unterlagen und allerlei Details der langen Fahrt gekümmert und saß nun auf einer Taurolle und studierte gewissenhaft eine Fibel, die ihm die Geheimnisse der deutschen Sprache offenbaren sollte.

    Drago wandte seinen Blick vom dunstigen Horizont ab und musterte seinen Neffen unauffällig. Servatius hatte ihm seine hochgewachsene Statur vermacht, ebenso seine lockigen, dunklen Haare und die graugrünen Augen. Tianmei aber hatte ihm die ebenmäßigen chinesischen Gesichtszüge und die bräunliche Haut mitgegeben. So weit fanden sich die Äußerlichkeiten seiner Eltern in dem Jungen vereint. Ein ansehnlicher Mann war daraus erwachsen, zumindest in seinen Augen. Dass Menschen mit gemischtem Blut von vielen mit Verachtung behandelt wurden, war ihm jedoch auch klar, weshalb er sich fragte, ob sein übereilter Entschluss, George mitzunehmen, nicht unangenehme Folgen haben würde. Andrerseits hatte der Junge einen seltsam stoischen Charakter, der gewiss nicht Servatius’ Erbe war.
    Nachdenklich folgte Drago im Geiste den Familienlinien, die sie beide verbanden. Servatius war sein Pate, doch nicht sein Onkel, also nicht der Bruder seines Vaters, sondern dessen Vetter. Sein Vater hatte seine beiden Brüder in den Schlachten der Franzosenzeit verloren, den einen bei Jena, den anderen bei Waterloo. Eine Schwester hingegen war mit ihrem Mann nach Amerika ausgewandert und betrieb dort, so seine letzte Erinnerung, eine Pferdezucht. Der Vater seines Vaters, also sein Großvater, hatte einen Bruder, der sich schon früh dem Familienkreis entzogen hatte und nach Hamburg gegangen war. Mit Fortune und Geschick hatte er eine Reederei aufgebaut und sich zu einem recht vermögenden Mann emporgearbeitet. Seine Frau stammte, soweit er wusste, aus einer respektablen Kaufmannsfamilie, und unter ihren zahlreichen Kindern hatte sich Servatius definitiv zum schwarzen Schaf entwickelt.
    Auch er, Drago, gehörte zu den schwarzen Schafen – zumindest was die Meinung seines Vaters anbelangte. Und das führte die Linie der Gemeinsamkeiten noch weiter in die Vergangenheit. Die Wurzel allen Übels, die ihm und Servatius die Abenteurerseele vermacht hatte, lag in ihrem gemeinsamen Urgroßvater. Der hatte sein Leben der Erforschung der Welt gewidmet, unter anderem den Dänen Bering auf seiner Kamtschatka-Expedition
begleitet, war fünf Jahre später zu einer Reise nach Südamerika aufgebrochen und erst zehn Jahre später zurückgekehrt. Einige Jahre später kam er auf einer Forschungsfahrt

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