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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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aber die Tatsache, dass sie das Hochzeitsbild lange und ausgiebig gemustert zu haben schien, drängte mir die Frage auf die Lippen, die ich mir seit jenem Nachmittag im vergangenen Dezember stellte, als sie mir ihren eigenen Werdegang berichtet hatte.
    »Du kennst Drago Kusan, nicht wahr?«
    Meine Stimme war noch etwas heiser, und ich musste husten.
    Sie stellte die gerahmte Aufnahme sorgfältig wieder an ihren Platz und kehrte zu meinem Bett zurück.
    »Ja. Ich kannte ihn.«
    »Er war der Mann, der dir geholfen hat.«
    »Nein. Das war sein Pate, Servatius.« LouLou hob die Schultern. »Es scheint an der Zeit zu sein, dass ich dir die Zusammenhänge erkläre, Ariane.«
    »LouLou, er ist tot, ich habe es überwunden. Du bist mir keine Erklärung schuldig.«
    Oder besser, ich hatte meine Trauer ganz tief unten vergraben, im Keller der verstaubten Erinnerungen, den ich nun mit einem sicheren Vorhängeschloss versperrt hielt. Er würde mir nicht mehr wehtun, der Halunke. Nie mehr!
    »Hoffentlich,Ariane.Aber deshalb solltest du trotzdem wissen, was mich mit den Kusans verbindet.«
    »Gut, dann sprich.«
    Sie holte eine feine Manikürefeile aus ihrem Retikül und begann sich die Fingernägel zu polieren.
    »Ich erwähnte es ja schon, Servatius hat mich damals aufgeklaubt, als ich sehr nahe daran war, richtig abzurutschen. Ich habe bis heute keine Ahnung, was er in mir gesehen hat, aber an dem Abend, an dem er mich kennengelernt hatte, forderte er mich auf, am nächsten Tag mit ihm essen zu gehen, sofern ich ein anständiges Kleid besäße. Ich haderte mit mir, wie du vielleicht nachvollziehen kannst, ob ich diese Chance nutzen sollte, denn als ›anständig‹ ging allenfalls mein schwarzes Beerdigungskleid durch. Ich hatte es mitgenommen, aber ich hasste es dennoch,
denn es war die Verbindung zu einem noch ungeliebteren Leben als das, was ich zu jener Zeit führte.«
    »Ja, ich verstehe. Kleider verändern ihre Trägerin. Sie helfen oder zwingen uns, eine Rolle zu spielen.«
    »Sagt die Kostümschneiderin. Wie wahr. Ich schlüpfte also noch einmal in die mir wenig zusagende Rolle der biederen Bürgerstochter, und sein Grinsen sagte mir, dass er das sehr wohl erkannt hatte. Servatius war ein verdammt kluger Kerl, Ariane. Ohne viel nachzuforschen hatte er damit herausgefunden, was ich unter ›anständig‹ verstand. Und in kurzer Zeit hatte er meine damalige Situation mit wenigen Worten umrissen. Ich hätte Fähigkeiten, meinte er, und es sei an der Zeit, das Beste aus beiden Bereichen zu machen. Ich kannte die verlogene Spießbürgerlichkeit ebenso wie die schäbige Halbwelt. Daher abschließend der Rat, meine Gaben so teuer wie möglich zu verkaufen.«
    »Was dich umgehend dazu brachte, von ihm einen ausgesprochen hohen Preis für die verlangten Dienste zu fordern?«
    Ich setzte mich auf und schob mir das Kissen in den Rücken.
    »Ja, das tat ich. Aber, Ariane, er forderte den Dienst, wie du es so vornehm nennst, nicht für sich selbst, sondern für seinen Begleiter. Ich solle Drago in die – er nannte es sehr eloquent die Bettiquette – einführen.«
    »Ups!« Ich verschluckte mich beinahe. Dann musste ich unwillkürlich auflachen. »War sein Pate derart naiv, dass er glaubte, Drago habe das mit Mitte zwanzig noch nötig gehabt?«
    »Es gibt Dinge, die auch ein Mann lernen muss, um für eine Frau ein angenehmer Bettgefährte zu sein.« Plötzlich grinste LouLou mich an. »Ich nehme an, du hast davon profitiert.«
    Und schon barst der Riegel vor der schweren Kellertür, und die Erinnerungen schäumten die Treppen empor. O ja, Drago war es gelungen, mich dem Himmel nahe kommen zu lassen. Ich zog die Knie an und legte meine Stirn darauf.
    »Es nützt nichts, wenn du es zu vergessen suchst, Ariane. Es ist ein Teil von dir.«
    »Ja, ich weiß. Auch Leander hat viel von ihm gesprochen und
mich an Dinge erinnert, die ich lieber nicht mehr sehen wollte. Ach, LouLou, er war mir gegenüber ein selbstsüchtiger Schuft, ein eigennütziger Lump, ein verantwortungsloser Herumtreiber, aber in der ersten Zeit …«
    »Es sind immer die Schurken, in die sich die Frauen so gerne verlieben. Ich habe das oft genug beobachtet. Der Fehler ist, dass sie sie zähmen wollen.Wenn das gelingt, werden die Exemplare zu langweiligen Waschlappen, wenn nicht, bleiben gebrochene Herzen zurück.«
    »Wie tröstlich!«, schnaubte ich, und die Vorstellung eines gezähmten Drachen ließ mich schaudern.
    »Was ich dir aber eigentlich sagen wollte, Ariane,

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