Goldbrokat
um die Unterhaltung auf ein leichteres Gleis zu bringen.
»Ja, es war viel los die vergangenen Tage. Überhaupt sind wir seit dem Brand im Komödienhaus fast jeden Tag voll besetzt.«
»Dann machst du also guten Umsatz, Louise?«, wollte Gernot wissen.
»Er hat sich gesteigert seit dem Sommer.«
»Dann könntest du mir wohl einen Gefallen tun. Die Seidenpreise sind in diesem Jahr erschreckend stark angestiegen. Eine mysteriöse Krankheit lässt im gesamten Anbaugebiet die Raupen sterben. Wenn du mir den Kredit, zumindest teilweise, vorzeitig zurückzahlen könntest, müsste ich nicht gegen Zinsen Geld aufnehmen.«
LouLou zerbröselte ihr Früchtebrot und rührte dann ihren Tee um.
»Das wird schwierig, Gernot. Ich hatte große Ausgaben in den letzten Wochen. Aber ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Das wäre sehr nett von dir.«
»Ich gebe dir nächste Woche Bescheid. Reicht das?«
Er nickte und konsultierte noch einmal seine Uhr.
»Liebe Ariane, ich muss Sie verlassen. Morgen pünktlich um sieben werde ich mich einfinden, um Sie zu begleiten. Einverstanden?«
»Ja, danke.« Ich erhob mich und geleitete ihn zur Tür. Vertraulich strich ich ihm über den Arm und hoffte, dass er die Botschaft verstehen würde. Aber er nahm nur meine Hand und hauchte einen formellen Kuss darauf.
Stockfisch!
LouLou stand am Büfett und blätterte ungeniert in dem Portefeuille, das ich leichtsinnigerweise dort liegen gelassen hatte.
»Du hast es meinem Bruder noch immer nicht gesagt«, bemerkte sie und wies auf die Urkunde, die ich herausgesucht hatte, um die Anschrift des Braunschweiger Anwalts nachzusehen. Es hatte mir einen solchen Stich versetzt, meine und Dragos Unterschrift auf dem Papier zu finden, das unsere Scheidung besiegelte, dass ich den Ordner zugeschlagen und erst einmal zur Seite gelegt hatte. Dumm von mir.
»Nein, habe ich nicht, aber ich habe eine andere Möglichkeit erwogen, schneller an eine Bestätigung von Dragos Tod zu kommen.«
»Du willst die Hochzeit vorantreiben?«
»Nach dem, was meinen Kindern passiert ist …«
»Ich verstehe. Mein Gott, Ariane, du bist eine Frau, setz deine Waffen ein. Mein Bruder ist zwar streng auf Formen bedacht, aber das verliert sich bei richtiger Behandlung bei jedem Mann. Oder weißt du nicht, wie das geht? Dann könnte ich dir ein paar wirkungsvolle Tricks verraten.«
»Pfff! Natürlich könnte ich ihn verführen. So ein Häschen bin ich nun auch wieder nicht. Aber es wäre ein wenig hinterhältig.«
»Ach ja?«
»Ja. Ach, LouLou, ich habe das schon mal praktiziert. Was meinst du denn, wie ich zu meinem ersten Ehemann gekommen bin?«
»Erzähl es mir doch mal. Du hast Drago Kusan verführt? Beachtlich. Ich meine nicht, dass er nicht verführbar gewesen wäre, sondern dass du ihn damit zur Heirat überredet hast.«
Ich setzte mich und goss mir noch einen Tee ein. Alles vorbei, alles Vergangenheit, nichts aber vergessen. Ich sollte es wohl berichten, damit ich es endlich loswurde. Zumindest würde LouLou nicht schockiert sein.
»Ich war gerade achtzehn geworden und ziemlich übermütig.«
»Wer ist das mit achtzehn nicht?«
Stimmt, sie war in dem Alter von zu Hause ausgerissen.
»Leander hatte Drago in Münster kennengelernt.«
»Hat er Nona und mir erzählt, als du krank warst.«
»Oh.«
»Sonst nichts.«
»Ah, na gut. Er brachte ihn mit zu uns. Meine Eltern führten ein gastfreies Haus, und Besucher waren bei allen Mahlzeiten willkommen. Du weißt, wie Drago damals aussah.«
»Ja, ich erinnere mich gut. Du hast dich in ihn verguckt.«
»Beim ersten Mal schon.Wir flirteten, aber ich war nicht die Einzige, der er seine Aufmerksamkeit schenkte.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Gleichzeitig tauchte Charnay in Münster auf und kam in Kontakt mit meinem Vater. Mein Vater züchtete Pferde, musst du wissen. Aber ich denke, Charnay und Drago sind sich damals nicht über den Weg gelaufen, denn Charnay, eher im Alter meines Vaters, verkehrte mit ihm, Leander zog mit Drago herum. Ich fand Charnay nicht besonders sympathisch, er hatte aber, aus welchen Motiven möchte ich lieber nicht ergründen, Gefallen an mir gefunden. Kurzum, mein Onkel gab wie jedes Jahr seinen Sommerball, und mein Vater rief mich nachmittags zu sich in sein Arbeitszimmer und eröffnete mir, dass Charnay um meine Hand angehalten habe. Er würde es sehr begrüßen, wenn ich den Antrag annähme. Ich verstand das zwar, denn unsere finanzielle Lage war nicht eben rosig, und reiche
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