Goldbrokat
Seidenzüchter wuchsen nicht auf jedem Baum. Ich fühlte mich in der Klemme, LouLou. Ich hatte zwar nichts dagegen, mich zu verheiraten, aber mein Wunschkandidat war ein ganz anderer. Der aber war ein loser Geselle und bisher nicht zu fesseln gewesen.«
»Nein, in der Hinsicht war er sehr wehrhaft.« »So klug war ich auch schon. Und darum beriet ich mich mit Leander. Mein Bruder kannte ihn besser als ich, und außerdem fand er meines Vaters Idee auch nicht besonders passend. Leander
ist leichtherzig, übermütig und hilfsbereit. Wir beide heckten einen Plan aus.«
»Vernünftig, sich dabei freundschaftlicher Unterstützung zu versichern. Wie habt ihr es angestellt, den Drachen ins Netz zu bekommen?«
»Oh, Leander nutzte auf dem Ball erst einmal Dragos Neigung zum Punsch aus und schmuggelte ihm in seine Gläser immer ein bisschen mehr Rum hinein, als ihm guttat. Als er ausreichend beduselt war, gab er mir ein Zeichen, und ich begann einen heftigen Flirt mit ihm, lockte ihn in ein abgelegenes Zimmer und warf mich ihm an den Hals. Es war überhaupt nicht schwer, ihn zu äußerst indiskreten Handlungen zu verleiten, und ehrlich gesagt, es entzündete auch in mir einen Flächenbrand. Fast bedauerte ich es, dass Leander, wie verabredet, die Tür aufriss und, meinen Vater an seiner Seite, den empörten Bruder mimte. Drago zerzaust, ich ziemlich derangiert, der Skandal leuchtete auch meinem Vater allmählich ein, zumal auch mein Onkel auf den Plan kam und uns mit Vorwürfen überhäufte. Leander war der Erste, der in die Beschimpfungen das Wort ›Heirat‹ einfließen ließ. Irgendwer donnerte schließlich: ›Kusan, sind Sie bereit, die Verantwortung für Ihr Handeln zu tragen?‹, und Drago, der vermutlich noch immer nicht so recht wusste, wie ihm geschehen war, erklärte sich bereit, das zu tun. Ich zerdrückte ein paar Tränchen und lispelte, ich sei einverstanden, den Antrag anzunehmen, und so wurden wir, nachdem wir uns wieder in einem repräsentablen Zustand befanden, der Gesellschaft als frisch verlobtes Paar vorgestellt.«
»Ein sauberes Stückchen.«
»Ja, LouLou. Am nächsten Tag kam Drago zum Morgenbesuch. Ein bisschen verkatert und recht ernst. Man gestattete mir, mich kurz mit ihm alleine zu unterhalten, und er lächelte mich schief an. Ohne meine Hilfe, meinte er, würde er wohl aus der Sache nicht mehr herauskommen. Dir ist sicher geläufig, dass eigentlich nur eine Dame die Verlobung lösen kann.«
»Mit solchen Regeln habe ich mein Leben nie beschwert.«
»Sei froh drum. Ich sagte ihm also, dass ich das nicht wollte. Als er mich fragte, warum, sagte ich ihm ganz ehrlich, dass mein Vater mich mit Charnay verheiraten wolle und er für mich die einzige Rettung sei. Heute verstehe ich seine Reaktion. Er bekam plötzlich ganz harte Augen. Ich erschrak vor ihm und dachte, nun sei alles vorbei, aber dann nahm er meine Hand, küsste sie und meinte: ›Na, wird schon schiefgehen mit uns beiden. ‹ Und so ist es dann ja auch gekommen.«
»Das heißt, er erinnerte sich an Charnay?«
»Charnay war ebenfalls auf dem Ball und stand ganz nahe bei uns, als mein Vater die Verlobung verkündete.«
»Das wird ihn gefuchst haben.«
»Hat es auch. Ich bin anschließend sogar ziemlich schnippisch zu ihm gewesen. Kurz und schlecht, die ganze Angelegenheit kann ich nicht als besonders rühmlich bezeichnen und möchte so etwas auch lieber nicht wiederholen.«
LouLou zuckte mit den Schultern.
»Mein Bruder ist ein anderer Charakter als Drago. Und er ist sowieso schon bereit, dich zu heiraten.Warum ihm nicht einen kleinen Schubs geben und ihn etwas fester an dich binden? Dann wird er die Tatsache der Scheidung schon verkraften, und du hast ihn schneller vor dem Altar.«
»Mal sehen, LouLou. Wenn alles andere fehlschlägt, kann ich diese Möglichkeit noch immer in Erwägung ziehen.«
Sie nickte und stand auf.
»Ich muss los. Lass dir mit dem Kleid etwas Zeit und gönn dir ein paar freie Tage.«
Aber ich stichelte lieber noch an ihrem Kleid weiter und fertigte dann noch zwei Shawls für Frau Antonia Waldeggs Wohltätigkeitsbazar an, denn die Alternative wäre gewesen, die Anfrage an den Anwalt zu formulieren.
Der Kölner Männergesangsverein war seit 1842 eine Institution, höchst erfolgreich und bereits vom König für seine Leistungen ausgezeichnet worden. Das Programm war ansprechend,
man brachte Klassisches, aber auch leichte Volksweisen sowie gängige Opernchöre. Im Anschluss an die Veranstaltung trieb
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