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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Händen.
    Drago lebte.
    Er war nicht gestorben.
    Er lebte, und er war wieder hier.
    Langsam sank ich auf die Bettkante. Er war zu mir gekommen. Wie hatte er mich gefunden? Leander – ja, der hatte ihm sagen können, dass ich jetzt in Köln wohnte. Aber wie hatte er Leander gefunden? In Barbizon?
    Er musste sich einige Mühe gemacht haben.

    Wie lange er wohl schon in Deutschland war?
    Laura und Philipp hatte er vor drei Tagen zum ersten Mal getroffen, hatte er gesagt. Das wäre am Mittwoch gewesen. Sie hatten am Freitag, bei ihrem Besuch bei mir, nichts davon gesagt. Aber sie waren eifrig bemüht gewesen, mich mit ihren Erlebnissen aus der Schule zu überhäufen. Hannah hatte auch keinen Mann erwähnt, der sich ihnen genähert hatte.Also nahm sie ihre Aufsichtspflichten noch immer nicht ernst genug, oder meine Kinder hatten Mittel und Wege gefunden, ihr immer wieder zu entwischen. Meine Cousine mochte ein liebes Mädchen sein, aber den beiden Rabauken war sie nicht mehr gewachsen. Sie brauchten eine stärkere Hand.
    Verdammt, den Gedanken hatte ich schon einmal verfolgt.
    Gernot! Du liebe Güte, was sollte ich Gernot nur sagen?
    Ich stützte die Ellenbogen auf die Knie und barg meinen Kopf in den Händen.
    Was für ein Debakel!
    Einen Moment lang ließ ich meine wirren Gedanken einfach laufen und bemühte mich tapfer, keinen einzigen davon festzuhalten. Es drehte sich sowieso alles wie Bohnen in einer Kaffeemühle in meinem Kopf, und das, was dabei herauskam, war gemahlener Mist.
    Nachdem ich zu diesem Schluss gelangt war, stand ich auf und suchte mein Heil in manueller Tätigkeit. Ich räumte meine Kleider ordentlich fort, sammelte die Haarnadeln ein, band mir die Haare im Nacken zusammen und trottete in die Küche, um einen großen Kessel Wasser aufzusetzen. Was hätte ich jetzt für ein heißes Wannenbad gegeben! Aber diesen Luxus bot meine kleine Wohnung nicht. Eine breite, tiefe Zinkschüssel, in die ich mich stellen konnte, ein Waschgeschirr aus Steingut und ein großer Schwamm mussten reichen.Aber wenigstens mit heißem Wasser vor dem bullernden Küchenherd wollte ich mir den Staub und den Ärger dieses Nachmittags abspülen. Bis das Wasser kochte, öffnete ich mir eine Flasche Wein von meinem kleinen Vorrat. Hunger verspürte ich nicht, während des Bazars hatte ich
eine Auswahl von den Delikatessen gegessen, die mir Julia vorbeigebracht hatte, und danach war mir der Appetit vergangen. Aber ein Glas Rotwein mochte meinen Nerven guttun.
    Eigentlich hätte ich noch im Hotel bleiben müssen, um den Erfolg der Veranstaltung zu feiern, aber vermutlich würde man mich nicht vermissen.Als Gesprächsstoff diente den Klatschmäulern diesmal mit Sicherheit die Dichterfürstin. Die Arme, was hatte sie mir für eine Strafpredigt gehalten, als ich für die geschiedene Johanna gesprochen hatte. Die hatte sich aus eigener Kraft von ihrem lasterhaften Gatten getrennt, was ich bewundernswert fand. Helenens Schmach aber ging tiefer – ihr Ehemann hatte ihr offensichtlich den Laufpass gegeben, um sich mit einer jüngeren, dralleren Gefährtin zu verbinden.
    Woher wusste Drago nun das schon wieder?
    Gut, dass sie geschieden war, wusste er von Schnorr zu Schrottenberg selbst, das hatte er gesagt. Aber dass Helene meine Erzfeindin war und er mit seiner lauten Bemerkung genau ins Schwarze treffen würde, um ihr ein für alle Mal den Schlund zu stopfen – wer hatte ihm das verraten?
    Das konnte ich mir eigentlich selbst beantworten. Wer wohl anderes als der Schöpfer und geniale Maler von »Helenens Eitelkeit«. Mein lieber Bruder Leander. Er hatte Drago sicher mit großem Vergnügen den Auftritt bei seiner Ausstellungseröffnung geschildert.
    Warum hatten mir eigentlich nicht die Ohren geklingelt, während Drago und Leander über mich getratscht hatten?
    Das Wasser kochte, und ich mischte es mit dem kalten Wasser aus dem Krug, zog mich ganz aus und wusch mich von oben bis unten, hüllte mich dann in mein langes Seidennachthemd und den Morgenmantel und setzte mich so vor den Küchenherd, um die restliche Wärme zu genießen. Dabei trank ich langsam das Glas Rotwein leer.
    Ich fühlte mich jetzt ruhiger, meine aufgewühlten Empfindungen waren in eine mildere Dünung übergegangen, und ich war wieder in der Lage, klarer zu denken.

    Drago lebte.
    Er hatte meine Kinder – und damit auch mich – gesucht.
    Er hatte sich gründlich informiert. Das konnte er schon immer gut.
    Er musste Laura und Philipp bezaubert haben.
    Auch das

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