Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
hier?«
    »Mich um meine Brut kümmern, natürlich.«
    »Deine Brut?«, spuckte sie. »Nur über meine Leiche. Die Kinder gehören mir.«
    »Falsch gedacht, kleine Tigerin, sie gehören rechtlich gesehen zu mir. Oder solltest du das vergessen haben?«
    »Du wirst sie nicht verderben. Einen Lumpen wie dich brauchen sie nicht als Vater.«
    »Ach, möglicherweise sehen Philipp und Laura das anders. Wir haben uns schon recht ausgiebig unterhalten, und sie fanden mich gar nicht lumpenhaft.«
    »Du hast dich an sie herangemacht? Du hast ihnen Versprechungen gemacht? Dann hast du sie auch entführt, was? Du warst das also.«
    Der Spaß, sein aufbrausendes Weib zu necken, verflog augenblicklich.
    »Entführt?«
    »Willst du das leugnen?«
    »Ja, mein liebes Herz, das leugne ich. Ich habe meine Kinder vor drei Tagen zum ersten Mal getroffen. Im Stadtpark beim Drachensteigenlassen. Befrage sie, wenn du willst. Als Mutter solltest du ihre kleinen Geheimnisse leicht herausfinden können.«
    »Du hast sie zum Lügen angestiftet?«
    »Nein, du hast sie mit deinen Anweisungen dazu gebracht, über das zu schweigen, was ihnen verboten war. Dennoch, wenn jemand sie entführt hat, dann würde ich gerne Näheres dazu erfahren.
Hier scheint mir jedoch nicht der richtige Ort dafür zu sein. Ich fühle mich so eindringlich beobachtet.Wer ist die flatterhafte Dame in Grau, die uns mit ihren Blicken durchbohrt?«
    Arianes Busen bebte noch vor Entrüstung, Aufregung oder Ärger, aber sie sammelte sich bewundernswert schnell.
    »Helene von Schnorr zu Schrottenberg. Soll ich dich mit ihr bekannt machen? Dann könnt ihr euch beide daran mit Herzenslust ergötzen, meinen Charakter in Fetzen zu reißen.«
    »Sehr hübsch, wie du Gift zu spritzen verstehst. Das ist also die vielbesungene Dichterfürstin!«
    »Du kennst sie?«
    »Ich besuchte Leander.«
    Wieder wollte die Wut in ihr aufschäumen, er erkannte es an den rosigen Wangen, und wieder behielt sie ihre Gefühle im Griff. Sie war sehr diszipliniert geworden, seine wilde kleine Tigerin.
    Er verbeugte sich galant in Richtung Helenens, die ihn jetzt unverhohlen musterte, dann einen Herrn an ihrer Seite etwas fragte.
    Man kam auf sie zu, und er setzte ein verbindliches Lächeln auf. Eine kleine Freude konnte er also seinem wehrhaften Weib doch noch bereiten.
    Die Edle gab sich freundlich und säuselte: »Meine liebe Frau Kusan, ich hörte eben, dass ein naher Verwandter nach einer langen, langen Reise zu Ihnen gefunden hat. Aus China, nicht wahr? Ach, welch ein Traum, welch ein Erlebnis. Pagoden, Lotusblüten, Mandarinen und Orangen. Bitte stellen Sie mir den Herrn doch vor.«
    Was eben noch hitzig war an Ariane, erstarrte zu arktischer Frostigkeit. Geradezu unhöflich kurz angebunden nannte sie seinen Namen. Mehr nicht.
    »Frau von Schnorr, richtig. Ich habe ja schon so viel von Ihnen gehört!«, sagte Drago nach einer knappen Verbeugung und gab seiner Stimme ein durchdringendes Timbre, nicht laut, aber tragend. »Letzthin kam ich von Paris – ach diese Bahnhöfe, ich
sage es Ihnen. Da wartet man auf die Eisenbahnen, und wenn sie sich verspäten, ist man froh um jede freundliche Seele, mit der man plaudern kann.«
    Einige Köpfe wandten sich ihnen bereits zu. Mit einem freundlichen Nicken fuhr er fort: »Auf diese Weise traf ich Ihren ehemaligen Gatten, liebe Frau von Schnorr, der sich just mit seiner Begleiterin zu einem längeren Aufenthalt in der Seinestadt entschlossen hatte. Ich bin sicher, Sie wünschen ihm nach der Scheidung alles neue Glück auf Erden. Zumindest ist die junge Dame ein dralles Persönchen von heiterem Gemüt, wenn auch ein wenig verwöhnt. Aber da Sie ja großzügig auf eine Apanage verzichtet haben, wird er sich ihren kostspieligen Geschmack mit Leichtigkeit leisten können.«
    Die Dichterfürstin nahm die Farbe verschimmelter Käsecreme an und schwankte in ihrem Kokon aus flatternden Gazeschleiern wie ein Gespenst im Zugwind.
    Drago wandte sich an die sprachlose Ariane, nahm ihre schlaffe Hand in die seine und zog sie an seine Lippen. Doch statt ihr einen förmlichen Kuss darauf zu hauchen, fuhr er mit der Zungenspitze rasch zwischen Zeige- und Mittelfinger. Er spürte ihr Erschaudern und war’s zufrieden. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ, ohne sich noch einmal umzusehen, das Schlachtfeld der Gefühle.

Eine Nacht wie Samt und Seide
    Tritt auf des Tigers Schwanz
Nicht verletzend, sondern heiter -
Er wird den edlen Menschen nicht beißen.
So wird

Weitere Kostenlose Bücher