Goldbrokat
gebrauchen.«
Mama mischte sich jetzt endlich ein und meinte: »Ich denke, die Vorstellungsrunde ist damit beendet. Darf ich euch jetzt zu Tisch bitten? Und mir manierliches Benehmen ausbedingen? Von allen, meine Damen und Herren!«
»Ja, Mama.«
»Ja, Mama.«
»Ja,TaiTai.«
Philipp setzte sich auf die Kante des Sofas neben Laura und sah zu dem... mhm... Herrn Vater hin, der sich gemütlich im Sessel breitgemacht hatte und die Beine übereinanderschlug. Jetzt war der Nachmittag ja doch noch ganz richtig geworden.
»Ihr habt eurer Mama also nichts von dem Mann mit dem Drachen erzählt?«
»Nein, Herr Vater.Wir durften doch nicht.«
»Aber Sie haben uns auch angeschwindelt!«, konnte Philipp sich nicht enthalten zu erwähnen.
»Habe ich das?«
»Sie haben gesagt, Sie heißen Herr Long.«
»Nein, ich habe gesagt, man nenne mich baixi long , und das
heißt hellhäutiger Drache auf Chinesisch. So wurde ich dort gerufen.«
Laura neben ihm gluckste leise.
»Na ja, Sie hätten sich aber korrekt vorstellen müssen, oder? War doch ein bisschen geschummelt.«
»Das gebe ich zu. Aber – hättet ihr mir denn geglaubt, wenn ich gleich gesagt hätte: ›Hallo, Laura und Philipp, ich bin euer Vater‹?«
Philipp und Laura sahen sich an. Na jaaaa.
»Beim zweiten Mal schon, Herr Vater.«
»Ich scheine eine recht scharfsinnige Brut gezeugt zu haben, kleine Tigerin.«
»Pfff!«, sagte Mama, die mit der Kakaokanne in den Raum kam.
Kleine Tigerin zu Mama zu sagen, das war aber verflixt mutig. Überhaupt, der Herr Vater schien gar keine Furcht zu kennen. Und wie er sie ansah! Irgendwie komisch. Als wollte er was sagen. Etwas, das sich nicht gehörte. Er hatte ein geradezu freches Glitzern in den Augen. Dann drehte er sich aber wieder zu ihnen herum und fragte beiläufig: »Und bei welcher Gelegenheit hättest du, mein Sohn, diesen sauguten Trick gebrauchen können? Gab es jüngst einen Anlass, jemanden in die Schranken zu weisen?«
Es war bestimmt viel leichter, den üblen Zwischenfall in der Schule einem Mann zu erzählen als Mama. Auch wenn die sich eigentlich wegen einer kleinen Keilerei nicht besonders aufregte. Aber in dem vornehmen Institut – na, man wusste ja nicht.Also, Papa – Papa? Beim wilden Nick, verdammt noch mal, er war doch sein Papa! Er hatte doch einen Papa! Er war wirklich nicht nur ein Muttersöhnchen. Ein wildes Glücksgefühl schwappte durch Philipp hindurch, er reckte sich und begann mit erhobenem Kinn: »Das war so, Papa...«
Der hörte schweigend zu und sagte dann: »Aha, man hat eurer Mama die Qualifikation zur Dame abgesprochen. In diesem Fall, mein Junge, hätte ich ebenfalls zu einem der sauguten
Tricks gegriffen. Es scheint aber, dass ich mich zunächst doch besser wie ein Herr einführe und dem Schulleiter einen freundschaftlichen Besuch abstatte. Oder hast du dich in der letzten Zeit wieder irgendwo danebenbenommen, kleine Tigerin?«
»Ich pflege mich in der Öffentlichkeit immer tadellos zu verhalten.«
»Immer?«
»Wenn Frau Helene nicht dabei ist«, prustete Laura los und bekam von Mama einen übergebraten. »Mein Fräulein, ich muss dich daran erinnern, dass du es warst, die den schändlichen Vers zum Besten gegeben hat!«
»Ja, Mama. Aber du hast auch gelacht.«
»Schlangenbrut, aha. Das müssen sie von dir haben, Ariane.«
»Du untergräbst meine Autorität, Drago.«
»Tue ich das, Kinder?«
»Nein, Papa.«
»Ja, Papa.«
»Mist.«
Oh, was war der für ein Pfundskerl!
Und dann erzählte er von China. Es war atemberaubend. Alles erzählte er. Von Laternenfesten und Drachentänzen, von Menschen, die in schwimmenden Häusern lebten, von Wasserbüffeln und Reisfeldern, von schmutzigen, lauten Hafenstädten, von grausamen Aufständischen und genauso grausamen kaiserlichen Soldaten, von Kanonenbooten der Engländer und Franzosen, von Teehäusern und kostbar gekleideten Frauen mit Stummelfüßchen und den prunkvollen Auftritten der Hofbeamten. Stundenlang hätte man zuhören können. Der Kakao war darüber kalt geworden, der Kuchen zerkrümelte sich auf den Tellern, die Zeit verflog wie nichts.
Bis die dumme Türbimmel erklang.
Mama ging hinaus, um zu öffnen, richtig glücklich sah sie dabei aber nicht aus.
»Meine liebe Frau Kusan, verzeihen Sie die Störung, aber Sie sind gestern so schnell aufgebrochen, dass wir Ihnen gar nicht
den Blumenstrauß überreichen konnten«, hörte Philipp eine lebhafte Frauenstimme sagen.
»Kommen Sie doch herein, Frau Waldegg, Herr
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