Goldbrokat
Waldegg!«
Mama führte zwei ältere Herrschaften in den Salon, und Papa erhob sich. Da musste man natürlich auch gleich aufstehen, Diener, Laura Knickschen.
»Meine Kinder, Frau Waldegg, Laura und Philipp. Herrn Kusan kennen Sie ja schon.«
Oh, konnte Papa sich elegant verneigen.
Herr Waldegg überreichte Mama ein riesiges Blumenbouquet, und Papa holte noch einen Sessel hinzu. Laura und Philipp wurden angewiesen, in der Küche zu verschwinden, aber die nette alte Dame bestand darauf, dass sie dabei blieben.
»Wir wollen doch den Familiennachmittag nicht stören, liebe Frau Kusan. Nein, nein, machen Sie sich keine Umstände.«
»Machen Sie sich ruhig welche, Frau Kusan, ich will mich mit dem weitgereisten Helden unterhalten. Wir kamen gestern nicht dazu, und ich hätte noch einige Fragen an ihn.Wie beurteilen Sie beispielsweise die Lage der Briten in Peking, Herr Kusan? Wird der kaiserliche Hof sich den einseitigen Forderungen beugen?«
Frau Waldegg hob mahnend den Finger, piekste ihren Mann damit an die Brust und meinte: »Mein Gatte ist die personifizierte Wissbegier. Schweigen Sie einfach, Herr Kusan, sonst lutscht er Sie aus wie eine Orange.«
Das war vielleicht eine Beschreibung. An Papa konnte man doch nicht herumzutzeln wie an einer Apfelsine. Aber er gab schon ausführlich Antwort. Nicht, dass Philipp auch nur die Hälfte davon verstanden hätte. Auch Mama unterhielt sich lieber mit Frau Waldegg, und die fragte auch sehr nett, was ihre Lieblingsbeschäftigungen waren. Und so kam man auf Gruselgeschichten und Drachensteigenlassen und Piraten und Malen. Und natürlich musste sich Laura mit ihrem Bild brüsten, die kleine Angeberin.
»Wirklich, das hast du gemalt? Cornelius, schau dir das an!«
Die Herren unterbrachen gehorsam ihre Unterhaltung, um sich das Gemälde von Captain Mio anzusehen.
»Der alte Pirat lebt also noch?«, fragte Papa leise, und seine Stimme klang seltsam belegt.
»Er durchpflügt die Meere, entert die Betten harmloser Abenteuerfahrer und verlangt seinen Tribut in Form von Streicheln und Kosen«, erklärte Mama.
»Das ist ein wirklich beachtliches Werk, liebe Laura. Du kommst auf deinen Onkel Leander, nicht wahr?«
»Er hat mir das Malen beigebracht. Nicht alles, aber ein bisschen. Und jetzt kriege ich Extraunterricht im Zeichnen.«
»Kann man das Bild käuflich erwerben?«, fragte Papa sie unerwartet. Laura sah ihn verdutzt an.
»Ich bin mir sicher, für den richtigen Preis wird jede Künstlerin verkaufen, nicht wahr, Laura?«, sagte Frau Waldegg und stellte sich neben Papa. »Hast du eine Vorstellung, wie viele Taler du dafür verlangen möchtest?« Und dabei hob sie die rechte Hand und zeigte alle fünf Finger.
»Ja... ähm... vielleicht fünf...«
Frau Waldegg hob die zweite Hand.
»Fünfze…«
Und schloss und öffnete sie fünfmal ganz schnell.
»Fünfzig?«
»Fünfzig Taler? Eine Occasion, dafür nehme ich es sofort. Aber nur, wenn es signiert ist.«
»Ich hab meinen Namen draufgeschrieben, hier unten in der Ecke. Und das Datum.Wie Onkel Leander es gesagt hat.«
»Gut, dann nehme ich es.Akzeptierst du eine Bankanweisung, Laura? Ich habe so viel Geld heute nicht dabei.«
Meine Güte, fünfzig Taler. Was man dafür alles kaufen konnte! Das war ja die Hälfte von dem, was Mama im Jahr an Tante Caro bezahlte. Und das sollte Laura ganz für sich alleine bekommen. Nur für ein einfaches Bild. Philipp überlegte einen Augenblick, ob er etwas sagen sollte, aber dann ließ er es lieber. Es wäre sehr ungehörig gewesen, raffgierig zu erscheinen.
»Mama, kann ich eine Bankanweisung annehmen?«, fragte Laura, und Mama nickte. »Ich nehme an, dass euer Vater solvent ist.«
»Ist er. Aber ich würde es gerne sehen, wenn du das Geld für deinen Zeichenunterricht verwenden würdest und nicht alles in bunte Haarschleifen und Bonbons umsetzt, Laura.«
Ah, das sah doch schon ganz anders aus.
Nach dieser bemerkenswerten Handlung verabschiedeten sich die Waldeggs wieder, und Mama sah zur Uhr.
»Wir sollten Hilde nicht verärgern, ich bringe euch jetzt nach Hause.«
»Ja, Mama.«
»Aber, Mama...?«
»Was ist, Laura?«
»Dürfen wir... Ich meine, jetzt, wo er hier ist...«
»Ihr werdet ihn selbst fragen müssen. Ich kann nicht über die Zeit eures Vaters verfügen.«
»Ich habe noch einige geschäftliche Dinge zu erledigen, aber ich bleibe eine Weile hier. Wir müssen uns ja noch über deine Schule und den Tadel unterhalten, Philipp. Und über ein, zwei saugute
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