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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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interessanten Band der Enzyklopädie, den sie unbedingt brauchten, wieder nach oben gelaufen.
    Und jetzt hingen die grauen Wolken ganz tief über den Dächern. Es regnete, nicht mal in den Hof konnte man gehen, und Hannah hatte frei und sich mir irgendeiner Klatschbase verabredet,
und Laura machte ein Gezeter, weil sie ihre Haare nicht richtig geflochten bekam und sie ihr Lieblingshaarband verschlampt hatte.
    Ach Mist, Mensch!
    Hilde stapfte die Treppe hoch und forderte sie auf, sich die Regenmäntel überzuziehen, damit sie sich auf den Weg zu ihrer Mama machen konnten.
    Na gut, also auf in den Kampf.
    Die Haushälterin war auch schlecht gelaunt und brummig, während sie unter ihrem großen, schwarzen Schirm durch die Hohe Straße trottete.Vermutlich hätte sie lieber in der warmen Küche gesessen und in ihren Traktätchen gelesen. Düster wie alles andere wirkte heute auch der Dom mit seinem steinernen Gerippe, und in der Komödienstraße ragte bedrohlich die geschwärzte Ruine des Theaters in die graue Luft. Daran mussten sie noch vorbei, dann hatten sie endlich Mamas Atelier erreicht. Laura zog an der Klingelschnur, und die Tür öffnete sich.
    »Hier sind die beiden, gnä’ Frau. Bringen Sie sie bitte pünktlich um sechs zurück, damit das Essen nicht kalt wird.«
    Puh, was für eine Laus war Hilde nur über die Leber getrampelt!
    »Natürlich, Hilde. Sollte es später werden, geben wir Ihnen Bescheid. Kommt herein, Laura, Philipp.«
    Mama war hübsch angezogen, verhielt sich aber irgendwie komisch. Nicht schlecht gelaunt, sondern fast so nervös wie er, fand Philipp.Als ob sie auch ein schlechtes Gewissen hätte. Oder über irgendwas sich nicht zu reden traute. Er begann sich noch weit unbehaglicher zu fühlen.
    »Ich habe Besuch, meine Lieben. Zieht eure feuchten Mäntel aus und kommt bitte in den Salon.«
    Oje, auch noch offizieller Besuch. Salon nannte Mama den Anprobenraum nur, wenn richtige Gäste da waren. Da musste man höflich sein und den Mund halten und artige Antworten geben, wenn man gefragt wurde. Ein widerlicher Tag heute. Ehrlich.

    Laura schniefte ebenfalls und wurde angewiesen, sich die Nase zu putzen. Aber er wusste, dass das Schniefen dem blöden Besuch galt.
    Nicht eben freudig trotteten sie hinter Mama her, traten in den Salon und standen dem Mann gegenüber.
    Da sollte ihn doch der Teufel frikassieren! Damit war ja wohl für heute alles verdorben. Philipp erstarrte fast, denn das mehrte die Anzahl seiner zu beichtenden Sünden noch um einiges.
    Betreten sah er zu Herrn Long auf, und Lauras Hand stahl sich in die seine.
    »Guten Tag, Fräulein Laura, guten Tag, Jung Philipp«, begrüßte sie Herr Long, und Philipp sah sich hilfesuchend nach Mama um. Doch die gab sich redlich Mühe, einer der stummen, unbeweglichen Schneiderpuppen zu ähneln. Lauras Hand zwackte und zwickte. Es blieb ihm ja wohl nichts anderes übrig, als sich dem Drachen zu stellen. Er sah Herrn Long aufrecht in die Augen.
    Der lächelte sie an, zwinkerte und fragte: »Ich nehme doch an, ihr erinnert euch an mich?«
    Laura zwickte noch mal. Dann machte sie ein schnippisches Knickschen und sagte ganz keck – verflixt, wie konnte ein Mädchen nur so vorlaut sein -: »Ja, Herr... Vater.«
    Der Mann hob die Schultern, drehte die Hände nach oben und sah zu Mama hin.
    »Ich nicht, Drago, ich nicht«, sagte die abwehrend und schüttelte den Kopf.
    »Nein. Nun, ihr Rabauken, woher wisst ihr das?«
    »Weil Sie doch beim Himmlischen Kaiser waren.«
    »Und wegen dem Zahn.«
    »Ja, und wegen der Daguerrotypie.«
    »Und dem Medaillon.«
    Philipp scharrte mit den Füßen, aber Laura befreite ihre Hand aus seinem Griff und reichte sie dem Herrn Long. Der nahm sie vorsichtig in die seine, beugte sich darüber und deutete einen galanten Kuss an.

    »Gut geraten, Fräulein Tochter.«
    Laura schaute wie ein belämmertes Schaf auf ihre Hand und grinste selig. So was Doofes.
    »Und du, mein Sohn? Wirst du mir deine Hand verweigern?«
    Na ja, konnte man ja schlecht, oder?
    »Aber nicht küssen!«
    Herr...Vater lachte laut auf, nahm seine ausgestreckte Hand, und urplötzlich fand Philipp sich vom Boden gehoben, einen Überschlag in der Luft machen und mit dem Rücken auf dem Teppich landen. Allerdings weich, denn der Mann hatte seinen Sturz abgefangen.
    »Sauguter Trick. Zeigen Sie mir den, Herr Vater?«, keuchte er, als er sich von der Überraschung erholt hatte.
    »Den und noch ein paar mehr. Die kann ein Mann in deiner Position sicher gut

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