Goldbrokat
manches davon wird dir nicht gefallen.«
»Zum Beispiel, dass du eine Geliebte hattest, meinst du?«
»Zum Beispiel.«
»Du wolltest mit ihr sterben, hieß es. Sie muss dir unsagbar viel bedeutet haben.«
Der Schmerz war wieder da. Jäh und brennend.
»Ich wollte nie sterben, Ariane. Aber ich habe Fehler gemacht, und einer davon war meine Sucht nach Opium. Der andere war, dass ich ein schönes Mädchen nicht genug beachtet habe. Beide werde ich nie wiederholen.«
Der Schmerz wurde etwas dumpfer.
»Aber …«
»Sie war Servatius’ Tochter. Er hat zwei Kinder hinterlassen, noch einen jüngeren Sohn, George Liu. Er hat mich herbegleitet, und du wirst ihn kennenlernen. Sie lebten bei ihrer Mutter Tianmei, einer sehr schönen, sehr kultivierten Chinesin. George hat großes Interesse an der westlichen Kultur, Ai Ling lehnte sie ab und versuchte, mir ihre Lebensweise nahezubringen. Für mich war sie jedoch nur ein schönes Spielzeug. Sie bemerkte es und begann mich zu hassen. Ich konnte es ihr nicht verdenken, aber gleichgültig, wie ich gegen sie war, erkannte ich ihre Wut erst, nachdem sie mich und sich vergiftet hatte.«
Der Schmerz verklang, aber sein Echo blieb.
Vielleicht, weil ich ihm genauso wenig bedeutet hatte. Ein hübsches Spielzeug eben.
Aber er war zurückgekommen.
Und würde mich wieder verlassen.
Ich senkte meinen Kopf und kramte in meinem Retikül nach dem Taschentuch. Aber ich wollte nicht weinen. Nein, hier ganz bestimmt nicht.
Ein Kellner servierte uns einen kühlen Weißwein, und ich nickte ihm zu, mit erstarrter Miene, das merkte ich. Mit Gewalt unterdrückte ich die Schluchzer, die in meiner Kehle saßen. Warum nur hatte ich so nah am Wasser gebaut? Ich haderte mit mir selbst, dass ich nicht zufrieden sein konnte mit dem, was der Augenblick mir schenkte. Und erst nach einer Weile bemerkte ich, dass Drago leise auf mich einsprach.
»Die Gärten von Suzhou sind Meisterwerke«, erzählte er mit samtweicher Stimme. »Kleine Pagoden mit geschwungenen Ziegeldächern stehen unter hohen Bäumen, über Seen voller Lotusblumen wölben sich schmale, überdachte Holzbrücken, grau vom Alter, die Geländer zierlich geschnitzt. Am Ufer liegen wie zufällig moosige Steine, die über Jahrtausende vom Wasser geschliffen und bearbeitet worden sind. Doch dem Zufall ist dort nichts überlassen.Windspiele füllen die Luft mit feinem Geläut, hoher Bambus raschelt, im Herbst färbt sich der Ahorn flammend rot und entzündet in den Gewässern das Feuer. Büsche und Bäume werden aufmerksam gepflegt, manche sind nur Miniaturausgaben der großen Gewächse.«
Während ich an meinem Glas nippte, entstanden so die Bilder, die er mir zu vermitteln versuchte, und ich wurde ruhiger. Seine leisen Worte entführten mich durch kreisrunde Tore in die zauberhaften Gärten des bescheidenen Beamten oder des törichten Politikers, in das Teehaus inmitten blühender Beete, Flüsschen und Seen.
Als er verstummte, fragte ich ihn:
»Wann wirst du wieder gehen, Drago?«
»Wenn es notwendig ist. Aber nicht mehr dieses Jahr.«
Ein Aufschub.
»Die preußische Regierung hat eine Expedition genehmigt, um die Handelsbeziehungen mit China vertraglich besser abzusichern. Ich war für zwei Wochen in Berlin und habe mit den Verantwortlichen gesprochen. Sie würden es begrüßen, wenn ich ihnen vor Ort als Ratgeber zur Verfügung stünde.«
»Du bist ein einflussreicher Mann geworden.«
»Ja, und ein erfolgreicher Handelsherr. Die Chinesen nennen mich tai pan, was ein achtungsvoller Titel ist.«
»Womit handelst du?«
»Mit vielen Dingen, aber neuerdings vor allem mit Seide. Sie wirft guten Gewinn ab.«
Uns wurde eine Gemüsesuppe serviert, und ich konnte sie sogar genießen. Danach erzählte ich ihm von Laura und Philipp. Wie sie aufgewachsen waren, welche Schulen sie besuchten, wie aufgeweckt sie waren. Als die Eierspeise mit Pilzen und Spinat gereicht wurde, meinte er: »Du bist stolz auf die beiden.«
»Ja, das bin ich.«
Und als die Käseauswahl auf dem Tisch stand, berichtete ich ihm ausführlich über den Streich mit dem Spukhaus. Er hörte sehr nachdenklich zu.
»Es gefällt mir nicht. Aber ich vermute, du hast alles getan, was möglich war. Sie sind nicht besonders gehorsam, muss ich dir verraten.«
»Nein, leider manchmal nicht. Und Hannah können sie viel zu leicht überlisten.«
»Richtig.Vor allem, wenn sie abgelenkt wird.«
Alarmiert sah ich auf.
Er grinste schon wieder breit.
»Ja, glaubst du denn, ich
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