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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ausschmückung, ohne Hintergrund. Und doch drückte das Bild eine unsagbare Traurigkeit aus. Schriftzeichen, auch sie in ihrer Art kleine Kunstwerke, zogen sich am linken Rand herunter, vermutlich ein Sinnspruch oder so etwas Ähnliches.
    »Kein Künstler,TaiTai. Nur ein stümperhafter Versuch.«
    »Doch, George. Es ist berührend. Und so traurig. Eulen mit ihrem nächtlichen Ruf künden von Einsamkeit. Und manche Menschen fürchten sich davor.«

    Er starrte das Blatt an und schien nach Worten zu suchen. Wahrscheinlich wollte er mich loswerden, aber das konnte ich nicht zulassen, bevor ich nicht herausgefunden hatte, was die Ursache für sein abgrundtiefes Unglück war. Hatte Drago ihn auf irgendeine Weise verletzt? Hatte es etwas mit mir zu tun?
    Oh, natürlich.
    Wie hatte ich das vergessen können? George war Servatius’ Sohn, aber nicht sein Erbe.Vermutlich hatte er sich Hoffnungen darauf gemacht, Dragos Nachfolger zu werden, und nun tauchte ich mit meinen beiden Kindern auf. Aber musste er sich wirklich Angst um seine Zukunft machen? Ich tastete mich vorsichtig vor.
    »Verraten Sie mir, George, was die Zeichen auf dem Bild bedeuten? Ist das Ihre Signatur oder der Titel?«
    »Ein Gedicht, TaiTai. Nur ein schlechtes Gedicht.«
    »Bitte übersetzen Sie es mir doch. Ich mag Gedichte. Manchmal mache ich selbst welche, allerdings wirklich schlechte.«
    Er zögerte, griff nach dem Pinsel, legte ihn wieder fort.
    »George, bitte«, sagte ich leise und versuchte, so etwas wie mütterliche Autorität in meine Stimme zu legen. Seltsamerweise wirkte es. Er blickte zwar noch immer nicht auf, zitierte dann aber mit tonloser Stimme:
    »Der Mond schwindet,
    mich ruft mit ihrem Klagen die Eule.
    Dunkelheit wartet.«
    Hölle und Frikassee! Und jetzt?
    Dieser unselige Junge wurde offensichtlich von einer heftigen Todessehnsucht heimgesucht.
    Und ich hatte eine Erleuchtung.
    Gestern war er dabei, als Drago LouLou gefunden hatte. Er hatte Mutter und Schwester verloren.
    Spontan, ohne über irgendwelche Schicklichkeit nachzudenken, legte ich ihm meinen Arm um die Schultern.
    »George, nein. Du wählst den falschen Weg. George, hör mich an. Du wirst gebraucht, du bist wichtig für uns. Ich verstehe ja
deine Trauer. Aber du musst auch an deine Pflichten denken, George.«
    Er zuckte zusammen. Aha, diese Richtung also.
    »George, Drago hat seinen Paten Servatius sehr geliebt. Er war dein Vater, und du bist nun seine letzte Verbindung zu ihm. Dein Vater hat Drago in seinem Testament beauftragt, sich um dich zu kümmern. Er kann seine Aufgabe nicht erfüllen, wenn du dich dem Leben entziehst. Er wird es nie verwinden, wenn er Servatius’Vertrauen bricht.«
    Georges Kopf war noch immer gesenkt, aber unter seinen Lidern quollen Tränen hervor. Ich streichelte seine Schulter und drückte ihn noch ein wenig fester an mich.
    »George, erzähl mir von deiner Mama. Sie muss eine starke, mutige Frau gewesen sein, wenn sie sich mit einem Fremden wie deinem Vater zusammengetan hat.«
    Er schniefte leise, und ich reichte ihm mein Taschentuch.
    »Sie war so schön, TaiTai. So sanft und klug.«
    Na endlich! Ich legte auch noch meine freie Hand über die seine und drückte sie leicht. Stockend fuhr er fort: »Sie war die Tochter eines Gelehrten. Mein Großvater war einer der Ersten, die die englische Sprache gelernt haben. Nicht alle mögen die Fremden bei uns.Aber er hat gesagt, man kann die Flut, die über den Strand spült, nicht aufhalten.«
    Er sann nach, als ob er ein vergangenes Bild heraufbeschwören wollte.
    »Hast du deinen Großvater noch gekannt?«
    »Nein, TaiTai. Er starb zwei Jahre vor meiner Geburt. Er wurde von Männern umgebracht, die seine Geschäfte mit den Teehändlern nicht guthießen. Meine Mutter musste sich verstecken. Sie kam nach Schanghai und... und...«
    »Und es war schwer für sie zu überleben, ich verstehe.« »Mein Vater... er hat sie aufgenommen.«
    Servatius, der Retter gefallener Mädchen. Das schien eine seiner Hauptbeschäftigungen gewesen zu sein.
    »Sie ist seine Frau geworden.«

    »Einen Ehevertrag hatte sie nicht, aber er hat ihr ein Haus gebaut in Suzhou. Dort sind meine Schwester und ich aufgewachsen. Unser Vater besuchte uns oft.«
    Jetzt richtete George sich etwas auf, und ich nahm meinen Arm von seiner Schulter.
    »Servatius konnte wohl gut mit Kindern umgehen. Drago hat ihn als Junge, glaube ich, hemmungslos bewundert.«
    »Ja, er war großzügig und gütig, TaiTai. Ich liebte ihn und verehrte ihn. Er

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