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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Bruders trugen.
    »Du zeichnest genauso gut wie er, George.«
    »O nein, nicht wie Leander dashi . Er ist ein großer Künstler.«
    »Darüber sprechen wir noch. Himmel, was für ein Bild!« Ich musste über den komischen Hund lachen, der auf seiner Schnauze lag und halb bewundernd, halb reumütig nach oben schaute. »Vor wem ist der denn auf die Schnauze gefallen?«
    George sah das Bild an und murmelte etwas, das ich nicht verstand. Dann stand er auf, ging um den blätterbesäten Tisch herum, und plötzlich lag er vor mir auf den Knien und berührte mit der Stirn den Boden vor meinen Füßen. Als er sich aufrichtete, zog er ein Stück weiße Seide aus seiner Tasche, faltete es sorgfältig und bot es mir, mit einer neuerlichen Verbeugung, mit beiden Händen dar.

    Ich übernahm es, ebenfalls mit beiden Händen, und erkannte, was es war.
    Nonas rumal .
    »Danke, George«, sagte ich, stand auf und machte ebenfalls eine kleine Verbeugung. Gerade in etwa so tief wie eine Mutter, die sich für eine kleine Gabe bei ihrem Sohn bedankte. Hoffte ich wenigstens. Es gab offensichtlich noch viel zu lernen für mich.
    Aber nicht jetzt, die Zeit war vorangeschritten, und ich sollte mich endlich darum kümmern, ob meine Kinder und meine Garderobe inzwischen eingetroffen waren.

Tumult im Grandhotel
    Hier wendet sich der Gast mit Grausen ...
     
    Friedrich Schiller, Der Ring des Polykrates
    Noch eine knappe Stunde blieb ihm, bis sein Plan aufgehen musste. Alles war vorbereitet, und diese Zeitspanne wollte er nutzen, um sich zu sammeln und seinen Sinn auf das gegenwärtig einzig Wichtige zu lenken – das Gespinst der Verbindungen.
    Langsam und tief atmete er ein, wie er es gelernt hatte. Dann vollführte er die Übungen, die die Energie in seinen Körper leiteten, die seinen Geist frei machten von allen störenden Gedanken. Er lenkte seine Aufmerksamkeit auf das, was vor fünfundzwanzig Jahren geschehen war, und die Folgen, die es gezeitigt hatte. Die Tat von einst hatte Nachfahren geboren. Wie unersättliche Raupen hatten sie sich durch das Leben der Menschen gefressen, die mit ihm verbunden waren. Er aber hatte ihre verschlungenen Pfade bis ins Heute verfolgt, und nun am offenen Fenster, im Spiel von Licht und Schatten, berührten seine Hände die feine Seide, wickelten den Kokon der Vergangenheit ab und legten die beschädigte, kranke Larve frei, die darin verborgen lag. Behutsam hielt er die Fäden in den Händen, um sie nicht zu zerreißen, doch kraftvoll genug, um sie zu ordnen.
    Und als das qi seinen Körper erfüllte, mühelos und geschmeidig, da erhob der eiserne Drache sein Haupt.
    Die Zeit des Handelns war gekommen.
     
    Die Kinder hatten mich mit Fragen bestürmt, Hannah Tausende von Entschuldigungen vorgebracht, ich aber hatte sie auf später
vertröstet. Über mein meergrünes Kleid zog ich die dunkelblaue Jacke mit den modisch-weiten Pagodenärmeln, tupfte ein wenig Lippenbalsam und Rouge in mein Gesicht. Mein Kopf tat noch ein bisschen weh, aber es war überhaupt kein Vergleich zu den Schmerzen am gestrigen Tag. Zufrieden mit meinem Aussehen begab ich mich in Dragos Suite.
    Ich fand ihn vor dem offenen Fenster, völlig versunken in einen stummen Tanz der Bewegungen. Gefesselt blieb ich in der Tür stehen und beobachtete, wie er unsagbar langsam die Arme, manchmal nur die Hände durch die Luft führte, mal auf einem Bein so fest stand wie ein Fels, mal sich drehte wie schwerelos, sich beugte, aufrichtete oder streckte. Fast schien er mir wie eine Marionette, die an Fäden hing. Aber das war nicht das richtige Bild, niemand führte seine Gliedmaßen, sondern er bewegte die Luft oder was auch immer sich darin befand. Als er sich einmal umwand, konnte ich sein Gesicht sehen. Es schien wie das eines Schläfers, vollkommen ruhig und gelassen. Und dennoch – auch das stimmte nicht ganz. Es mochte Ruhe ausstrahlen, aber dahinter lag eine unerbittliche Konzentration ohne Anstrengung, eine wachsame Achtsamkeit ohne Spannung, eine geballte Kraft ohne Mühe. Er hatte mich bemerkt, ich spürte seinen Blick kurz auf mir ruhen, aber er unterbrach seine Übungen nicht, und ich ergötzte mich an den anmutigen Bewegungen, die mir vollendeter vorkamen als jedes Ballett, das ich je gesehen hatte. Dann aber folgte eine letzte Drehung, und Drago verbeugte sich vor mir.
    »Hübsch siehst du aus, kleine Tigerin.Warst du mit dem Coiffeur zufrieden?«
    Wie er so einfach in das Alltägliche zurückgleiten konnte.
    »Sehr zufrieden.Waren das

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