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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auf gar keinen Fall kriechen. Der ist ein bigotter Pfarrer und leitet eine Besserungsanstalt für gefallene Mädchen«, schnaubte Madeleine ungehalten.
    »Aber was sollen wir denn jetzt machen?«
    »Uns Arbeit suchen, was sonst. Aber zuerst werden wir in ein Café gehen und eine heiße Schokolade trinken. Meine Fresse, ist das ein Mistwetter hier!«

    Schneegraupel und ein strenger Ostwind machten den Aufenthalt im Freien wirklich nicht angenehm, und mit feuchten Säumen und zerzausten Haaren suchten die beiden jungen Frauen Unterschlupf in einem Kaffeehaus.
    Nona war niedergeschlagen, Madeleine ebenfalls, doch das änderte sich bei ihr nach dem Genuss des heißen, süßen Kakaos, und schon begann sie wieder Pläne zu schmieden. In den Gazetten würden sie nach Stellen Ausschau halten, vielleicht gab es auch Vermittlungsagenturen für Arbeitskräfte, und wenn gar nichts mehr ging, würde man eben eine Weile die Knochenarbeit in den Spinnereien oder Webereien aushalten müssen.
    Ohne große Begeisterung stimmte Nona ihr zu, und mit zwei Zeitungen bewaffnet wanderten sie zu ihrer Pension zurück.
    Madeleine konnte leidlich Deutsch sprechen, sie hatte Nona auf der Reise auch einige Brocken beigebracht, und so arbeiteten sie sich durch die Anzeigen durch, schrieben jene heraus, die Möglichkeiten versprachen, und machten einen Plan, in welcher Reihenfolge sie am nächsten Tag dort vorsprechen würden. Den Abend ging Nona wieder früh zu Bett, und Madeleine vergnügte sich mit den Handlungsreisenden.
    Am nächsten Morgen war sie fort.
    Die Liste mit den Stellen hatte sie ihrer Freundin dagelassen zusammen mit der Nachricht, dass sie mit Heinz Knappecke nach Krefeld gehen würde. Er habe ihr eine Stelle angeboten, die sie nicht ausschlagen konnte.
    Nona, die Frau mit den Feenhänden und der Seele eines zerbrochenen Schmetterlings, saß stumm vor Elend vor den Trümmern ihrer Existenz.

Halbseidenes Gewirk
    Und wie so teuer der Kaffee,
Und wie so rar das Geld! – - -
Vorbei sind die Kinderspiele,
Und Alles rollt vorbei -
Das Geld und die Welt und die Zeiten,
Und Glauben und Lieb und Treu.
     
    Heinrich Heine, Mein Kind, wir waren Kinder
    Das Jahr 1858 war angebrochen, und mit der ersten Post war Antwort eingetroffen. Mit einer vagen Hoffnung fischte ich das Schreiben mit der spinnenbeinähnlichen Handschrift von dem Tablett, auf das Hilde gewöhnlich die eingehenden Briefe legte. Schon im Treppensteigen riss ich das Kuvert auf.
    Die Anrede ließ bereits jegliche Hoffnung schwinden.
    Lediglich mein Name, ohne höflichen Zusatz, ohne verbindliche Floskel, stand da, dann folgten einige wenige, akkurat ausgerichtete Zeilen, die den preußischen Beamten ausmachten, der mein Schwiegervater war. Mit prägnanten Worten riss er meinen liederlichen Charakter in Fetzen, wies darauf hin, dass er nicht nur seinen Sohn enterbt habe, sondern sich damit auch jeder Verpflichtung gegenüber seinen Enkeln aus dieser unseligen Verbindung enthoben fühle, und forderte mich harsch auf, ihn künftig nicht mehr anzubetteln.
    Das war deutlich.
    Ich knüllte den Bogen zusammen und warf ihn mit nicht unbeträchtlicher Wut in den Kamin.
    Dieser Mann war unter Schweinen nicht zu leiden. Aber das
änderte nichts daran, dass wieder eine Möglichkeit der Geldbeschaffung gescheitert war.
    Nur eine mehr, denn als ich vor einigen Tagen vorsichtig bei Tante Caro nachgefragt hatte, ob sie möglicherweise gewillt sei, sich von ein, zwei kostbaren Schmuckstücken zu trennen, hatte es auch da einen tränenreichen Widerstand gegeben. Die Juwelen hatten ihr entweder Ferdinand selig oder ihre Eltern geschenkt, da konnte ich doch nicht verlangen, dass sie sich von ihnen trennte.
    Außerdem gab sie seit jenem unglücklichen Zwischenfall bei Belderbuschs unausgesprochen mir die Schuld an der finanziellen Misere. Ihr Spatzenhirn brauchte wohl diese Verdrehung der Tatsachen, um sich in der prekären Lage überhaupt zurechtzufinden. Sie führte seither das Leben einer Stigmatisierten, verließ ihr Heim nur noch zum sonntäglichen Kirchgang, und das tief verschleiert, war für niemanden mehr »zu Hause«, sprich, ihre Empfangstage hatte sie gestrichen, und Gesellschaften suchte sie ebenfalls nicht mehr auf.
    Ich hatte nicht so viele Skrupel. Zwar grüßten mich tatsächlich einige Damen der Gesellschaft nicht mehr, die Herren waren weniger zurückhaltend. Zwei jedoch hatten es sogar gewagt, mir unpassende Angebote ins Ohr zu flüstern.
    Trotz allem ging auch ich

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