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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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in die …
    Parade.«
    Draußen an der Tür fiel krachend und klirrend ein Tablett zu Boden.
    Ansonsten herrschte Schweigen.
    Tödliches Schweigen.
    Irgendwo erstickte ein Schnaufen.
    Ein gequältes Würgen.
    Entsetzensstarre Blicke ruhten auf mir.
    Ich erhob mich, zerrte meine sprachlose Tante Caro vom Sitz und verkündete mit kühler Stimme: »Es ist ein klein wenig eng hier.Wir erlauben uns, die Gesellschaft zu verlassen. Einen schönen Abend noch.«
    Mit hoch erhobenem Kopf rauschte ich durch die Stuhlreihen, Tante Caro trippelte, halb von mir gezogen, hinter mir her.
     
    Im Vorraum bot sich ein Bild des Chaos. Auf dem Boden lagen in Champagnerlachen die funkelnden Splitter Dutzender von Gläsern, ein Serviermädchen lehnte an der Wand und rang um Atem, zwei weitere klammerten sich bebend aneinander und keuchten. Nur eine fasste sich, versank in einen tiefen Knicks. Dem gestrengen Butler gelang es, seine Mimik einigermaßen unter Kontrolle zu bringen und uns unsere Umhänge zu reichen. Leise sagte er dabei: »Madame, es mag sein, dass Sie in diesem Haus nicht mehr empfangen werden, doch ich versichere Ihnen, mir haben Sie den schönsten Augenblick meiner gesamten Dienstzeit bereitet.«
    »Wenigstens einen hat es amüsiert!«, murmelte ich.
    »Mit Verlaub, gnädige Frau, mehr als einen. Sie haben sich vermutlich nicht nur Feinde gemacht.«
    Er schaffte es, uns im Handumdrehen eine Droschke zu rufen, und erst in dem muffigen Wagenkasten fand Tante Caro ihre Stimme wieder.

    »Du hast dich ruiniert.«
    »Ich weiß.«
     
    Erst als ich im Bett lag und vergeblich auf Schlaf hoffte, wurde mir richtig bewusst, was ich getan hatte. Bei den Oppenheims würde ich keinen Termin bekommen, um über die Finanzierung meines Geschäfts zu sprechen. Weitere Gesellschaften, um meine selbst entworfenen Modelle vorzuführen, würde ich in den nächsten Monaten nicht mehr besuchen können. Man würde mich auf der Straße schneiden, wenn man mir begegnete. Und ich konnte nur hoffen, dass man Laura und Philipp meine Entgleisung nicht spüren ließ.
    Im Dunkel starrte ich an die Decke. Warum hatte ich nur meinen Mund nicht halten und wie alle anderen wohlerzogenen Gäste stumm leiden können?
    Weil stummes Leid nicht deinem Wesen entspricht, antwortete mir meine innere Stimme. Und weil man dir schon als Kind nie verboten hatte, deine Meinung frisch heraus zu sagen. Weil weder dein Vater noch deine Mutter und schon gar nicht dein Bruder Leander Achtung vor wichtigtuerischen Dilettanten haben.
    Aber das war keine Entschuldigung für undamenhaftes Verhalten und höchst indezente Anspielungen. Mit ihr hatte ich alle anwesenden Herren und mindestens die Hälfte der Damen bloßgestellt. Das würde man mir nie verzeihen. In Helene jedoch hatte ich nun eine glühende Feindin gefunden.
    Die einzigen, die mich nicht verdammt hatten, waren die Dienstboten – na ja, auf diesen fraglichen Beifall konnte ich wohl getrost verzichten.
    Warum eigentlich?, fragte mich diese kleine, nagende Stimme. Und mir fiel keine wirklich passende Antwort ein.Vor allem, als ich mich der eigenartigen Bemerkung des Butlers entsann, ich hätte mir nicht nur Feinde gemacht.
    Na gut, der eine oder andere mochte auch von Helenens ständigem Beifallheischen enerviert sein und ihr diese Replik
gegönnt haben. Ich meinte mich jetzt sogar zu erinnern, dass Albert und Paula sich mit bebenden Schultern abgewandt hatten. Nun, das ließ auf eine glückliche Zukunft schließen, denn nichts verband ein Paar mehr, als miteinander einen Spaß teilen zu können.
    Dann fiel mir leider, leider ein, dass ausgerechnet mein ungeratener Gatte selig über meinen Fehltritt brüllend gelacht hätte. O ja, diese Art von Respektlosigkeit hätte ihn auf das Äußerste erheitert.
    Bei diesem Gedanken begannen die heißen Tränen zu fließen, und schluchzend barg ich meinen Kopf in den Kissen.

Gebrochene Flügel
    Kleiner goldner Schmetterling,
Ach, du kamst so früh heraus
Und nun irrst du armes Ding
In die leere Welt hinaus.
     
    Heinrich Seidel, Der frühe Schmetterling
    Nona zog das Wolltuch, das sie um ihren Kopf gewickelt hatte, noch etwas tiefer in die Stirn. Nicht um sich gegen die Kälte zu schützen. In dem vollbesetzten Eisenbahncoupé war die Luft stickig warm. Nein, sie wollte sich den neugierigen Blicken entziehen, denen sie immer wieder ausgesetzt war. Nicht dass sie sich für ihr Aussehen schämte – sie wusste, dass sie aussah wie ein Seidenwurm kurz vor der Verpuppung –

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