Goldbrokat
ihr also auch den Rest meines Herzens aus.
»Je nun, aber mein Schwiegervater hat mir ebenfalls eine Abfuhr erteilt, weil ich gewagt hatte, ihn um Unterstützung für seine Enkel zu bitten.«
»Kein Versuch darf unterlassen werden, auch auf die Gefahr einer Demütigung hin. Ich wünschte, Ariane, ich könnte Ihnen mehr helfen. Aber mein Kapital ist über die Jahre hinweg auch recht zusammengeschmolzen, und wer weiß, wie viel ich künftig noch den Quacksalbern zahlen muss, damit sie mich am Leben erhalten.«
»Sie haben mir schon genug geholfen, Madame Mira. Nicht immer ist es Geld, was man braucht, oft ist Rat viel wertvoller. Und um Rat bitte ich Sie jetzt wieder einmal.«
»Nur zu, ein altes Weib wie ich hat mehr als genug davon.«
»Sie erinnern sich an unseren Ausflug zum Sommertheater an Ihrem Geburtstag?«
»Oh, und wie! Es war ein wundervoller Tag.«
Ich reichte ihr die Visitenkarte.
»Ich hatte den Eindruck, dass Sie etwas mehr über diese LouLou Wever wissen als ich.«
Mit einem geradezu pfiffigen Ausdruck sah mich die alte Couturière an.
»Ein bisschen. Ich plaudere gelegentlich mit meinen Freundinnen, und einige von ihnen haben Söhne und Enkel. Natürlich sind alles nur Gerüchte, aber unter den jungen, möglicherweise auch den älteren Herren ist LouLou ein Begriff. Es heißt, dass sie eineVaudeville-Künstlerin ist.Angeblich hat sie im Theater von Stollwerck recht freizügige Tänze gezeigt.«
»Eine Schauspielerin also?«
»Vielleicht, aber die verdienen selten genug Geld, um ein eigenes Unternehmen aufzumachen.«
»Woraus ich schließen sollte, dass sie Einnahmequellen anderer Art hat. Selbstverständlich solche, auf die eine wohlerzogene Dame nie kommen würde.«
Madame Mira kicherte.
»Ariane, Sie haben eine nette Art, die Dinge realistisch zu sehen.«
»Wenn es denn so lohnenswert ist, könnte ich ja in Erwägung ziehen, eine ähnliche Karriere anzustreben.«
»Nein, Liebelein, das können Sie nicht. Aber es steht Ihnen gut an, dass Sie weder schockiert sind noch offene Verachtung zeigen. Man weiß nämlich nie, was eine Frau zu diesem Weg gezwungen hat. Reine Lust an der Sache bestimmt nicht.«
»Vermutlich nicht.Was heißt aber, dass sie ein eigenes Unternehmen gründen will? Etwa ein Freudenhaus eröffnen?«
Jetzt lachte Madame Mira laut auf.
»Unverblümt sind Sie wirklich, Ariane. Nein, nein, man munkelt, sie wolle ein Unterhaltungslokal führen.Welcher Art, weiß ich nicht genau, aber da sogar zwei meiner Bekannten davon sprachen, nehme ich an, dass es sich wohl um so etwas halbwegs Anständiges wie ein Tanzcafé oder Ähnliches handeln wird.Aber nun verraten Sie mir doch, warum Sie diese Auskünfte benötigen, Liebes.«
Ich stärkte mich mit einem Schluck des heißen, süßen Holunderbeersafts, der mir prompt die Schweißperlen auf die Stirn trieb.Vielleicht wurde ich auch ein bisschen rot.
»Die Idee, Kleider zu entwerfen, scheint mir noch immer gut, Madame Mira. Aber Kundschaft aus den vornehmen Kreisen werde ich zunächst nicht bekommen. Darum habe ich mir überlegt, ob ich meine Dienste nicht denjenigen Damen anbieten sollte, die zwar vermögend, aber nicht gesellschaftsfähig sind. Bei denen könnte ich möglicherweise auf ein Atelier verzichten und zu ihnen in die Wohnung kommen. Und da ist mir eben LouLou Wever eingefallen.«
»Mhm!«, sagte Madame Mira und nippte an ihrem Becher. »Mhm.«
»Sie lehnen es ab?«
»Nein, Ariane. Im Gegensatz. Ich bin nur etwas erstaunt über Ihre Gedankengänge.« Und dann grinste sie verschwörerisch.
»Die besten Geschäfte habe ich seinerzeit mit der Musselingesellschaft gemacht. Definitiv die allerbesten. Damals waren die Sitten jedoch weit freizügiger als heute – die Revolution, der Krieg -, da hatte man andere Sorgen, als sich um den guten Ruf zu kümmern. Wenn Sie heute mit der Halbwelt Geschäfte machen, wird Sie das aus der vornehmen Welt weiter ausgrenzen.«
»Ja, das gilt es zu bedenken. Andrerseits, Madame Mira, wird mich auch über kurz oder lang die Armut ausgrenzen. Unsere Beutezüge bei dem alten Isaak werden irgendwann ruchbar werden, Tante Caros Missgriff mit den Aktien scheint sich bereits herumgesprochen zu haben, unser Mangel an Hauspersonal hat zumindest schon die Dichterfürstin stutzig gemacht. Ich weiß nicht, wie lange wir die Fassade noch aufrechterhalten können. Ich wage gar nicht daran zu denken, was passiert, wenn größere Reparaturen am Haus vorgenommen werden müssen. Es gibt schon eine
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