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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Abenteuer versunken. Also blieb es mir überlassen, dem Erzähler gebührend Beifall zu spenden.

    Der Himmel war glastig geworden, die Luft schien Schlieren vor Hitze zu bilden, aber die dunklen Wolken waren am südlichen Horizont verblieben und bildeten einen dramatischen Kontrast zur sonnendurchfluteten Landschaft.
    »Wagen wir den Abstieg, meine Herrschaften. Unten liegt ein Segelboot am Ufer, das uns nach Köln zurückbringen wird. Die leichte Brise auf dem Rhein wird uns erquicken. Und desgleichen das kleine Picknick, das für uns vorbereitet ist«, erklärte Gernot Wever schließlich.
    Die Stimmung meiner Kinder stieg augenblicklich von Ennui zu Euphorie, und ehrlicherweise erleichterte auch mich diese Aussicht. Beschwingt wanderten wir den schmalen Pfad ins Dorf hinunter, wobei Gernot Wever mir galant seinen Arm als Stütze bot. Ich war einmal mehr glücklich darüber, sowohl auf Krinoline als auch auf Mieder verzichtet zu haben, obwohl ich dadurch eher wie eine Arbeiterin und nicht wie eine Dame wirkte. Aber solche Ausflüge mochte ich mir nicht noch durch Bekleidungskonventionen erschweren.
    Auf dem Segelboot erwartete uns ein kräftiger Schiffer, der gutmütig seine Pfeife aus dem Mund nahm, um sich dem Überfall durch zwei wissbegierige Kinder zu stellen, die ohne Umstände an Bord gehüpft waren. Ich wurde weit umständlicher von meinem Begleiter in das Boot geführt. Er vermutete wohl, dass ich Angst vor den schwankenden Planken hatte. Darum tat ich ihm den Gefallen und ließ ihn seine männliche Heldenhaftigkeit beweisen. Schließlich waren wir allesamt im Heck verstaut, und ein mächtiger Korb wurde geöffnet, während der Rheinschiffer die Leinen löste. Sanft glitt das Boot in die Strömung, der Wind blähte das Segel, und durch geschicktes Kreuzen, wie Philipp fachmännisch feststellte, umsegelten wir uferseitig flussaufwärts die langgestreckte Insel Nonnenwerth.
    Hühnersalat, frische Brötchen, ein goldgelber Camembert, Rosinenstuten, Erdbeeren, im Wasser gekühlter Wein und Limonade stillten Hunger und Durst, und so bemerkte ich das
auf uns zukommende Wetterphänomen erst, als wir den Südzipfel der Insel umrundet hatten und in das breite Fahrwasser zwischen den Inseln Grafenwerth und Nonnenwerth steuerten. Es mochte halb zwei gewesen sein, als am Honnefer Ufer ein aschgraues Band am Himmel erschien, das beinahe senkrecht nach oben aufstieg.
    Auch Laura bemerkte es und quiekte auf.
    »Schaut mal, was ist das denn? Dieser Streifen da! Der ist ja fast so hoch wie die Berge.«
    Der Schiffer hatte es auch gesehen und beobachtete die Erscheinung mit gerunzelter Stirn.
    »Seltsam das«, grummelte er.
    Und das war es auch, denn da, wo das Band auf den Boden traf, hatte sich eine schwarze Masse gebildet, die in wirbelnder Bewegung hinaufgezogen wurde. Der dunkle Streif war also eine aus den feinen Staubteilchen der trockenen Felder gebildete Säule. Sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit der Rauchsäule eines großen Brandes, die von einem heftigen Wind bewegt wurde. Dieser Wirbel wanderte Richtung Rhein.
    »Mein Gott, eine Windhose!«, rief Gernot Wever aus. »Versuchen Sie ans Ufer zu kommen, Mann!«
    »Schwierig, Chef. Die Strömung ist zu stark hier«, sagte der Bootsführer ruhig. »Und sicher ist es auch nicht.«
    In dem Augenblick traf die Säule den Fluss. Sofort erhob sich das Wasser, das in Wellenkämmen und Schaum emporsprang. Ich legte meine Arme um die Kinder, und fasziniert bestaunten wir die Erscheinung, die nun einer sich drehenden Krone ähnelte. Seltsamerweise verspürte ich keine Angst, sondern nur Staunen. Die Erscheinung wirkte, als ob sich im Rhein eine Insel erhoben hätte, um die das Wasser im Kreis herum aufspritzte. Noch war sie weit genug entfernt, aber wir beobachteten, dass die Säule weiter nach oben stieg und im Voranschreiten – von uns weg – zwischen zwei Dampfschiffen hindurchging, jedoch ohne Schaden zu verursachen. Dann überquerte sie weiter vorne den Rhein und traf auf das Mehlemer Ufer, wo die Wasserkrone in
sich zusammenfiel. Seltsamerweise hatten wir keinen nennenswerten Windzug verspürt, und unser Boot glitt noch immer ruhig durch die Wellen.
    »Dem Himmel sei Dank, das ist noch mal an uns vorbeigegangen«, sagte Gernot Wever und setzte sich, jetzt etwas entspannter, wieder zu uns. »Beeindruckend, so ein Ereignis, nicht wahr?«
    »Das ist noch nicht zu Ende«, meinte der Bootsführer trocken und begann mit ruhigen Bewegungen das Segel einzuholen.
    Recht hatte

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