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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Handwebstuhl einrichten. Das Probestück würde dann noch einmal auf seine Wirkung hin begutachtet werden, und wenn es gefiel, würde Gernot Wever es erwerben, gesetzlich schützen und die entsprechende Lochkarte für die Jacquard-Maschine erstellen lassen. Es brauchte alles seine Zeit, und meine Ungeduld half auch nicht, den Vorgang zu beschleunigen.
    Während ich aus dem Fenster schaute und die Landschaft an mir vorbeifliegen ließ, hing ich weiter meinen Gedanken nach. Immerhin hatte ich einen nächsten Schritt unternommen und mich um einen Gewerbeschein bemüht. Gleichgültig, in welche
Richtung meine Schneiderei sich entwickeln würde, so wie im Augenblick konnte ich nicht weitermachen. LouLou hatte mir meine Arbeit zwar bezahlt, aber sozusagen als Freundschaftsdienst. Wenn ich wirklich professionell Kleider für meine Kundinnen entwerfen wollte, musste ich ein richtiges Geschäft führen, meine Einnahmen und Ausgaben dokumentieren und Steuern zahlen. Aber ich konnte dann auch Anzeigen schalten und Geschäftskarten drucken, um Werbung für mich zu machen. Nun war es seit der Franzosenzeit wenigstens einfach geworden, ein Geschäft zu gründen, und auch die preußische Regierung unterstützte die Gewerbefreiheit. Manche Handwerker begehrten zwar dagegen auf, dass man keinerlei Qualifikationsnachweis mehr benötigte, um Brot zu backen, Schuhe zu flicken oder Kleider zu nähen, was ich durchaus verstehen konnte, aber das Gesetz half Menschen wie mir, denen eine reguläre Ausbildung versagt geblieben war, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dennoch war es mir, bis ich einen festen Kundenstamm hatte, wichtig, ein weiteres Standbein zu haben, weshalb ich so ungeduldig auf Wevers Entscheidung wartete.
    »Mama, sieh mal, da sind ganz dunkle Wolken!«
    Laura riss mich aus meinen Gedanken.Wir rollten soeben aus dem Bahnhof von Godesberg, und wirklich verdunkelte sich der Himmel dramatisch. Scheußlich wäre es, wenn der Ausflug ins Wasser fiele, die Bedenken teilte ich mit meinen Kindern. Aber mir war leider nicht die Macht gegeben, das Wetter zu beeinflussen, und das sagte ich ihnen auch.
    Die beiden Fräuleins verließen uns beim letzten Aufenthalt, und wir hatten das Coupé für uns allein, sodass ich die Schweigepflicht ein wenig lockerte. Aber es fiel mir schwer, den unablässigen Vermutungen, Fragen und kleinen Nörgeleien meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, denn das Rattern der Wagen und die unnatürlich drückende Hitze hatten sich wie ein Bleiring um meinen Kopf gelegt. Ich rieb mir die schmerzenden Schläfen, schnupperte an dem mit Kölnisch Wasser befeuchteten Tüchlein und hoffte auf ein baldiges Ende
der Tortur, selbst wenn das einen kräftigen Regenguss bedeuten sollte.
    Noch zwei Stationen, und wir hatten den Bahnhof in Rolandseck erreicht. Auf dem Perron wartete bereits Gernot Wever, sehr zünftig gekleidet in einer karierten Hose, einem leichten Jackett und mit einem Strohhut auf dem Kopf, den er höflich abnahm, als er unserer ansichtig wurde.
    »Meine liebe Frau Kusan, ich hoffe, die Anfahrt war nicht zu beschwerlich.«
    »Die Fahrt nicht, aber das Wetter ist doch unverhältnismäßig heiß für den Juni, nicht wahr?«
    »Nun, darum habe ich für uns ja auch eine Unterhaltung organisiert, die für Abkühlung sorgen wird. Doch zuvor gilt es noch eine kleine Anstrengung zu bewältigen.«
    Diese Anstrengung hielt sich jedoch in Grenzen und half meinen Kindern, ihren seit Stunden unterdrückten Bewegungsdrang auszuleben. Wir erklommen nämlich die kleine Anhöhe, die uns zum vielbesungenen Rolandsbogen führte. Dieser ehemalige Fensterbogen einer alten Burg war malerisch mit Efeu überwachsen, und von der Stelle, an der er stand, hatte man wirklich einen herrlichen Blick über das Rheintal.
    Es ging mittlerweile auf Mittag zu, und unten im Dorf läuteten die Glocken. Unter uns lag die Insel Nonnenwerth mit ihrem Kloster, Dampfschiffe, Schleppkähne, Segelboote und die Rhöndorfer Fähre belebten den Strom. Gegenüber erhob sich das Siebengebirge mit dem stolzen Drachenfels, der Philipp sofort zu wilden Phantasien hinriss. Ich gebot ihm Einhalt, denn unser Gastgeber wollte uns die Aussicht erläutern. Nun mochte Gernot Wever ein höflicher und freundlicher Herr sein, ein guter Geschichtenerzähler war er nicht, und ich bemerkte, wie Laura mit gequälter Miene der erbaulichen Schilderung der entsagungsvollen Liebe von Roland und Hildegunde zuhörte. Philipp hingegen war schweigend in seine eigenen

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