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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Geschirr abtrocknete. Lisbeth wusste, dass eine Tür mehr oder weniger nicht vor Entdeckung schützte, doch sie wollte ihren Mann möglichst weit entfernt vom Stall sehen.
    »Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.« Ihr Vater erhob sich ächzend, schnappte sich sein Getränk und schlurfte Richtung Wohnzimmer. Sein Schwiegersohn folgte ihm.
    »Was meinst du also?«, fragte Golsten.
    »Wozu?«
    »Können wir ein Kaninchen schlachten?«
    Hermann Treppmann griff zu seiner Pfeife, stopfte sie mit Tabak aus einem Lederbeutel und setzte sie dann in Brand. Er paffte einige Rauchwolken in das Zimmer. »Tja, ich sagte ja schon, dass das vom Futter abhängt.« Er lachte leise. »Im Grunde konkurrieren wir ja mit den Viechern um das Essen. Nur was wir nicht mehr verwerten können, bekommen sie. Viel ist das nicht. Ich denke, so um Pfingsten herum.« Damit war diese Frage für ihn erledigt.
    Wenig später senkte Hermann Treppmann die Zeitung. »Hier steht, dass in Dortmund eine sogenannte Kriegsschieberin zum Tode verurteilt wurde. Hast du etwas mit dem Fall zu tun gehabt?«
    »Nein.« Golsten hatte jedoch von dem Prozess vor dem Sondergericht gehört. Die bei einer Lebensmittelgroßhandlung beschäftigte Frau hatte Bezugsscheine unterschlagen und Unterschriften gefälscht, war geschnappt, vor das Sondergericht gestellt und nach kurzer Verhandlung abgeurteilt worden.
    »Die Zeitung behauptet, sie habe einige Zentner Butter, Käse und Wurst beiseitegeschafft.«
    »Das ist viel.«
    »Genug, um einen Menschen auf das Schafott zu schleppen?«
    »Das habe ich nicht gesagt.« Golsten seufzte. »Warum drehst du mir eigentlich immer das Wort im Mund um?«
    »Tue ich das?«
    »Ja.«
    »Dann liegt das möglicherweise daran, dass du dich nicht eindeutig ausdrückst. Hältst du dieses Urteil nun für richtig oder nicht?«
    »Es ist sicher hart, aber schließlich herrscht Krieg. Und wenn schon das Abhören von Feindsendern mit dem Tode bestraft werden kann, dann …«
    »Dann kann man auch den Diebstahl von Butter so bestrafen, oder was?«
    »Natürlich nicht. Aber wir haben uns alle an die Gesetze zu halten. Wer dagegen verstößt, wird bestraft. So ist das. Und so war das im Übrigen auch schon, als deine SPD noch am Ruder war. Auch sie haben Gesetze erlassen und deren Nichtbefolgung unter Strafandrohung gestellt.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass Unterschlagung früher mit dem Tod bestraft wurde.«
    »Darum geht es doch überhaupt nicht.« Golsten nahm einen Schluck Bier.
    »Doch, genau darum geht es. Selbstverständlich müssen Gesetze eingehalten werden. Aber nicht jedes Gesetz und nicht um jeden Preis. Und vor allem nicht solche von jeder Regierung. Erst recht nicht, wenn diese Gesetze gegen Menschenrechte verstoßen.«
    Golsten lachte auf. »Menschenrechte. Große Worte. Es herrscht Krieg.«
    »Stimmt. Das ist tragisch genug. Dieser Staat aber rechtfertigt mit dem Verweis auf den Krieg alles und jedes. Butter stehlen – Todesurteil. Es ist schließlich Krieg. Sogenannte Feindsender hören – Todesurteil. Es ist ja Krieg. Laut seine Meinung sagen? Das ist möglicherweise Wehrkraftzersetzung. Also: Verurteilt zum Tode. Wir befinden uns im Krieg.«
    »Ja, ja. Ich verstehe schon.«
    »Außerdem hat dieses System schon vor Kriegsbeginn mit Gesetzen gemordet.«
    Golsten schwieg.
    »Deshalb dürfen wir nicht so einfach jedes Gesetz akzeptieren.«
    »Du akzeptierst den ganzen Staat nicht, in dem wir leben.«
    »Da hast du recht.«
    »Ich gebe ja zu, dass in Deutschland nicht alles in Ordnung ist.«
    »Das ist sehr schmeichelhaft ausgedrückt.«
    »Aber wer entscheidet, welche Gesetze befolgt werden und welche nicht?«
    »Das muss jeder mit sich selbst ausmachen.«
    »Du redest der Anarchie das Wort.«
    »Nein, nicht der Anarchie. Den Menschenrechten.«
    »Ich glaube …«
    Die Tür wurde geöffnet. Lisbeth steckte den Kopf in die Stube. »Wir haben noch ein paar eingemachte Pflaumen im Keller. Möchtet ihr?«
    Das Heulen der Sirenen erübrigte eine Antwort. Die drei zogen eilig ihre Mäntel an und schnappten sich die Koffer mit den Wertsachen und wichtigen Dokumenten. So schnell sie konnten, liefen sie zum nächsten Luftschutzkeller.
    27
    Freitag, 9. April 1943
    I hr Besuch ist da, Herr Sturmbannführer.«
    »Danke. Schicken Sie ihn herein.« Wilfried Saborski legte den Hörer auf die Gabel zurück und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl, um seinen Gast zu begrüßen.
    Es klopfte und Margot Schäfer öffnete die Tür.

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